Nuramon
gegenüberstand.
»Emerelle«, sagte Nuramon leise. »Das kann nicht sein.«
Nuramons Zweifel ließ auch Daoramu einen misstrauischen Blick auf die Gestalt werfen. Deren Miene wirkte starr wie eine Maske, und ihre Bewegungen stockend und keineswegs so gewandt und erhaben wie Nuramon es immer beschrieben hatte. Irgendetwas stimmte nicht.
»Und doch bin ich hier«, sagte sie mit einer Stimme, die sanft und gebieterisch zugleich war. »Aber nur als Geist, noch nicht in Fleisch und Blut.«
Dass die Gestalt nur der Geist der Königin sein sollte, mochte erklären, warum sie so starr wirkte. Nuramon aber stutzte und schaute zum Steinkreis auf der Klippe hinauf. »Wie hast du das Band der Welten wieder geknüpft?«, fragte er die Geistergestalt.
»Das fortgerissene Land war wie ein Anker, den ich finden konnte.«
Nuramon starrte sie lange an, ehe er sprach. »Und warum duldest du die Tjuredanbeter in deiner Nähe?«
»Sie sind Narren, die ich täusche.«
»Wozu der ganze Aufwand, um dann doch hier zu erscheinen?«
»Es war von Anfang an der Plan«, sagte die Elfenkönigin und rührte sich nicht von der Stelle. »Die Welt soll gereinigt werden von all jenen, die uns vernichten wollten. Und wenn es so weit ist, werde ich das alte Band wieder knüpfen.«
Nuramon schüttelte den Kopf. »Wozu all der Aufwand, wenn du die ganze Zeit hier warst? Als ich das letzte Mal herkam, hättest du dich offenbaren können.«
»Da war meine Macht noch nicht so weit gediehen.« Immer noch regte sie sich nicht. Dieser Geist passte nicht zu der Elfenkönigin aus Nuramons Geschichten, und Daoramu fragte sich, ob Nuramon etwas an ihr erkannte, das ihr verborgen blieb.
»Dareen machte mir klar, dass die Zeit knapp ist«, sagte Nuramon.
Die Elfenkönigin schüttelte stockend den Kopf. »Dareen will, dass du die versiegelten Pfade öffnest, ehe meine Macht gewachsen ist. Ich kann die Bande nach Albenmark nur mit all der Macht dieser magischen Flut wiederherstellen.«
»Dann brauchst du mich nicht. Du brauchst nur zu warten, bis die Magie stark genug ist, und knüpfst dann die Bande. Und schon fließt die Magie wieder zwischen den Welten. Wozu bin ich also hier?«
Die Elfenkönigin trat beinahe zitternd vor Nuramon und starrte ihm in die Augen. »Weil hier dein Schicksal liegt«, sagte sie und schaute dann Daoramu durchdringend an. Sie konnte sich vorstellen, wie dieser entwaffnende Blick am Hof der Elfen seinen Zweck erfüllte. »Sie ist dein Weg ins Mondlicht«, sagte Emerelle. »Die Magie zu zügeln liegt jenseits deiner Macht. Oder glaubtest du tatsächlich, das Werk der Weisen leisten zu können?« Die Elfenkönigin strich Nuramon über die Wange. Das liebliche Lächeln passte zu der Vorstellung, die Daoramu sich von der Königin der Elfen gemacht hatte. Erhaben und gütig; und das, obwohl ihre Worte wie ein Schlag ins Gesicht waren. Dennoch mochte die Wahrheit darin liegen.
Nuramon packte die Königin blitzschnell am Hals und stach ihr das Schwert schräg in den Leib hinauf. Emerelle röchelte und bemühte sich, Nuramon zu umklammern. Ein Hauch von Magie umgab sie. Sie fiel auf die Knie, schüttelte verzweifelt den Kopf und mühte sich wieder auf die Beine.
»Warum?«, fragte Daoramu und trat an Nuramons Seite. Doch er starrte der Elfenkönigin nur entgegen.
Daoramu konnte nicht fassen, was ihr Geliebter gerade getan hatte. Da war sie wieder – die Kälte, die sie in Aelburin an ihm entdeckt hatte. Es konnte nicht wahr sein. Ein Mann wie Nuramon könnte seine Königin nicht töten. Es war ausgeschlossen.
Verzweifelt starrte Daoramu auf Emerelle hinab. Die Elfenkönigin erhob sich langsam. Blut lief ihr aus dem Mund, dann hustete sie es auf das Eis hinab. Da fragte sich Daoramu, warum ein Geist, den Nuramon mit seiner magischen Waffe attackierte, blutete. Hätte Emerelles Gestalt sich nicht einfach auflösen sollen?
Emerelles Geist schüttelte den Kopf und klagte Nuramon mit Blicken an. Langsam verbreiterte sich ein Grinsen auf dem Antlitz der Königin, und dann lachte sie mit ihrer hellen Stimme. Das Lachen war Daoramu unheimlich und festigte ihren Zweifel.
»Das ist nicht die Elfenkönigin«, sagte Nuramon und sprach damit aus, was Daoramu dachte. Sie hatte sich nicht geirrt. Nuramon hatte seine Königin nicht getötet. Die Geistergestalt hatte mit ihrer Reaktion und dem Blut Daoramu getäuscht und zu einer Gefühlsregung verleitet. Aber wozu? Wer verbarg sich hinter dieser Gestalt und woher wusste sie, wie die
Weitere Kostenlose Bücher