Nuramon
Elfenkönigin aussah und welche Stimme sie hatte? Und woher wusste sie von Dareen, den versiegelten Pfaden und allem anderen?
Die Frau mit dem Antlitz der Elfenkönigin senkte das Haupt. Ihr Haar verdunkelte sich und wuchs in die Länge. Aus dem grauen Kleid wurde ein grünes. Auch dieses Gesicht erkannte Daoramu, denn es ähnelte der Maske des Guillaume. »Noroelle«, sagte sie. Doch zu wissen, dass dies ein Trugbild war, ließ Daoramu der Gestalt statt mit Bewunderung mit Angst entgegenblicken.
»Es ist nur ein Geist«, erklärte Nuramon.
»Du erkennst also deinen Feind«, sagte die Elfengestalt mit der Stimme einer Minnesängerin. »Es ist doch passend, dass ich dir in Noroelles Gestalt erscheine, nachdem ich ihr damals in deiner Gestalt erschien.«
Daoramu erschrak. »Das kann nur der Devanthar wissen«, sagte sie.
Nuramon schüttelte den Kopf. »Er weiß Dinge, die der Devanthar nicht wissen konnte. Sonst hätte er mich ausgelöscht, ehe ich zum letzten Albenkind wurde.«
»Manche sehen im Alter besser als in jungen Jahren«, sagte der Geist in Noroelles Gestalt.
Nuramon atmete durch. »Das spricht für deine Schwäche. Denn du hast deinen einzigen Versuch vertan, in mich zu fahren. Was seid ihr anderes als Schatten, die mit der Magie emporwachsen wollen, bis sie ins Leben zurückkehren?«
Von einem Augenblick zum nächsten stand ein rothaariger Mann mit einem mächtigen Bart vor ihm. Es war Mandred; auch das erkannte Daoramu sogleich. Sie schüttelte den Kopf. Dieser Geist besudelte das Andenken des Gefährten Nuramons. Es war die Schändung einer Leiche. »Du hast viele auf dem Gewissen«, sagte der groß gewachsene Mann brummend.
»Und du warst zu gierig«, erwiderte Nuramon mit einer Miene voller Verachtung. »Du wolltest den Weg abkürzen und sicherstellen, dass ich mein Werk nicht vollbringen kann. Nun weiß ich um dich, wer immer du bist.«
Der Geist verwandelte sich in ein Wesen halb Mensch, halb Eber. Breit gebaut, den Kopf tief herabgeneigt und mit Hauern wie Dolchen. Und doch war es die Stimme eines Mannes – die eines Herrschers. »Es ist zu spät«, sagte der Manneber. Ihre Gefährten wichen zurück, Daoramu aber blieb an Nuramons Seite. Sie hätte sich nicht einmal bewegen können, wenn sie es gewollt hätte, so sehr entsetzte sie der Anblick. Woher Nuramon damals den Mut genommen hatte, gegen eine solche Bestie anzutreten, war ihr ein Rätsel.
»Dies ist die Welt der Menschen«, sagte der Manneber. »Und ihr ahnt nicht, was auf den verborgenen Pfaden liegt. Es gab schon einmal eine Welt, in der Siegel gebrochen wurden. Und dann zerbrach alles. Was Dareen aber entfesseln will, wird alles in die Finsternis stürzen. Wir aber verlangen nur nach dem, was unser ist. Dareen hat dir viel verheimlicht. Sie nutzte deine Verzweiflung, um dich auf diesen Pfad zu bringen. Sie war es, die damals Rajeemil aussandte, dich zu töten, damit das Wissen um die verborgenen Pfade verschwindet.«
»Gewiss«, sagte Nuramon. »Damit deinesgleichen das Geheimnis nicht auslöschen.«
»Du bist ihr nur wegen deiner Liebsten dankbar. Deswegen hast du dich zu etwas hinreißen lassen, das die Rache deiner Königin komplett machen wird.«
»Und was wäre falsch daran?«, fragte Nuramon.
»Nichts, wenn es nicht das Ende aller besiegelte, die du zu schützen suchst. Deine Königin hat dir nicht gesagt, dass es keine Zukunft für dich unter den Menschen gibt. Dein Schicksal wird sich auf Dareens Pfad nicht erfüllen. In die ewige Finsternis wird sie dich stoßen. Lügen, nichts als Lügen! Auch unter euch.«
Der Manneber wandte sich Gaerun und Rawila zu, und die beiden Ilvaru schüttelten die Köpfe. »Das stimmt nicht«, rief Gaerun. Rawila wandte sich von dem Geist und sagte: »Das weiß niemand.«
Ein Blick zu Loramu, und die Schwertfürstin spuckte aus, schwieg aber.
Nachdem der Geist Bjoremul gemustert hatte, senkte der Wyrenar den Blick. Nylma aber schrie ihm entgegen: »Das ist nicht wahr!« Sie wollte auf ihn losgehen, doch Nuramon hielt sie gerade noch zurück. Schließlich erfasste ihn der Blick des Geistes. Nuramon erstarrte und schaute dem Manneber schweigend entgegen.
Da traf der Blick des Geistes Daoramu. Nuramon stellte sich schüt zend vor sie, doch es nützte nichts. In ihrem Kopf hallte die tiefe Stimme des Mannebers. »Glaubst du tatsächlich, dass Nuramon dich je so lieben kann, wie er Noroelle liebte? Dich? Eine Menschenfrau? Er brauchte dich nur, damit du ihm Kinder schenktest, und nun
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