Nuramon
die Höhe, und Loramu war dankbar, dass sie zu ihren Gefährten zählte. Sie hatte immer zu Nylma aufgeschaut. Sie hatte sie nie begehrt, sondern hatte immer wie sie sein wollen. Der Geist hatte gesagt, sie bevorzuge Frauen, weil sie Männer hasse – Männer wie Nuramon, Bjoremul und Borugar. Erst wenn sie sich von ihnen losgesagt hätte, würde sie wieder Männer lieben können. »So wie es sein sollte«, hatte der Geist gesagt. Als Beweis hatte er ihre gelegentlichen Liebesnächte mit Männern angeführt. Und daraufhin hatte Loramu ausgespuckt. Sie brauchte sich nicht von einem Geist anzuhören, was viele in Yannadyr und Varmul ohnehin dachten und aussprachen. Es brauchte schon mehr, um sie umzustoßen.
In der Zukunft
Der Weg nach Jasbor barg eine unerwartete Offenbarung. Zwar hatte Nuramon mit seinen wiederentdeckten Fähigkeiten keines der magischen Siegel gefunden, die er suchte, aber auf den Albenpfaden bemerkte er einen Zauber am Albenstern, der in die Festung Weststern auf den Klippen bei Jasbor hinausführte. Die Magie trug Nerimees Aura. Offenbar hatte seine Tochter den Tjuredanbetern eine Falle gestellt, denn ihre Magie mischte sich wie ein Gift in den Torzauber und machte ihn zur Zeitfalle.
Nachdem Nuramon den Zauber gelöst, ein makelloses Tor geöffnet hatte und mit den Gefährten hindurchgeschritten war, fand er den Albenstern ummauert. Durch eine breite Luke in der Decke und durch Scharten in den Wänden beobachteten sie die Festungskrieger. Erst als sie ihn und die Gefährten erkannten, die Pforte öffneten und Merro, der Festungsfürst und Gaerigars Freund aus Kindestagen, ihnen gegenübertrat, wusste Nuramon, dass die Feinde noch nicht von Jasbor Besitz ergriffen hatten.
Durch Merro erfuhren sie, dass man den 18. Wurnia 2290 schrieb. Der Schritt durch das fehlerhafte Lichttor im Zwergenreich hatte sie sechs Jahre in die Zukunft gespült. Merro kämpfte mit den Tränen, als er ihnen erklärte, dass die Varmulier und die Helbyrnianer auf den Lysdorynen standen und nur Yendreds und Nerimees Macht sie noch vor den Feinden schützte. »Yendred und Salyra sind losgezogen, um an den neuesten Torstab zu kommen, den die Götterdiener ins Feld führen«, sagte Merro.
»Und Lyasani?«, fragte Bjoremul.
»Sie ist auf Jasbor«, antwortete Merro und erklärte, dass es ihr gut gehe. Auf weitere Fragen antwortete er ausweichend und sagte schließlich: »Ich habe der Thronerbin versprochen, über manche Dinge zu schweigen.«
Sie drängten ihn nicht, sondern nahmen die Pferde an, die er ihnen bot. Nachdem Gaerun und Rawila Loramu aufs Pferd geholfen hatten und die Schwertfürstin eine Runde durch den Hof geritten war, um ihre Fähigkeiten zu prüfen, verließen sie die Festung und strebten hinab nach Yannalur.
Dort staunten sie über das Wachstum der Stadt an der Küste vor Jasbor, die Daoramu einst geplant hatte. Die Stadtmauer war vollendet, und neue Gebäude ragten in die Höhe. Ihr Einzug geriet zum Triumph, der Jubel begleitete sie bei der Überfahrt nach Jasbor ebenso wie bei dem Ritt durch die Straßen.
Über ihnen auf der Klippe thronte der Palast, und die Birkeneiche blickte mit ihrem roten Winterkleid auf sie herab. Sie brachten den Weg in die Oberstadt rasch hinter sich, und kaum waren sie durch das Tor auf das Palastanwesen geritten, brüllten ihnen von rechts und links aus der Nord- und der Südgarnison die Ilvaru und die Palastgardisten Grüße entgegen. Jedes Fenster war besetzt, aus den Türen und Toren strömten die Krieger und die Bediensteten. Nuramon und die Gefährten kamen mit ihren Pferden nur knapp über die Mitte des Platzes hinweg, als die Ilvaru sie in ihrem Überschwang fast von den Pferden rissen. Die Umarmungen und Küsse ließen erahnen, wie sehr sie in den letzten Jahren gelitten und sie vermisst hatten.
Loramus Zustand entsetzte die Krieger, und ihre beruhigenden Worte vermochten sie und die Bediensteten nicht zu trösten. Da befahl Byrnea, Nuramons zweite Schwertfürstin, den Ankömmlingen Platz zu machen. »Es gibt andere, die größere Sehnsucht nach ihnen haben«, sagte sie.
Er nickte ihr zu, und während er mit Daoramu, Nylma und Bjoremul weiterzog, schaute er zurück und sah, dass Byrnea Loramu liebevoll stützte. Rawila und Gaerun lagen indes weinend in den Armen ihrer Gefährten.
Die vier Palastwachen, die sonst so starr das Tor bewachten, öffneten ihnen mit einem Grinsen den Weg in die Eingangshalle. Die vielen Schritte, die von dem Gang heranschallten, der
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