Nuramon
Schäfte fest umklammert hielten, fasste auch sie nach ihrem Kurzschwert.
Sie kamen in einen kahlen Saal mit einem Gewölbe aus Kristall. Daraus drang das magische Licht zwischen den sich windenden Ästen heraus. Daoramus Blick folgte dem Fluss der Magie ins Gewölbe, dann hinab, wo die Ströme wie hundert Flüsse in eine gewaltige Fläche trüben Gesteins mündeten. Es wirkte wie eine runde Pforte aus Fels, die mit leuchtenden Edelsteinen besetzt war. Unter dem weiten Gewölbe fühlte Daoramu sich schutzlos und hielt nach einem Fluchtweg Ausschau. Ebenso wie die Ilvaru betrachtete sie die schmalen Gänge, in denen sich die Äste von einer Wand zur nächsten spannten, und fragte sich immer wieder, ob dort etwas unter den Ästen lauern mochte. Dann aber empfand sie die Gänge als Zuflucht, wenngleich sie nicht wusste, ob es dort überhaupt ein Durchkommen und am Ende einen Ausgang gab. Allein Nuramon hatte nur Augen für die runde Steinfläche, der sie entgegenschritten und an der die magischen Adern zusammenliefen.
Nuramon streckte die Hand nach dem grünen Kristall aus, der in der Mitte der Steinplatte eingelassen war, berührte ihn und zog die Finger rasch wieder zurück.
»Ist es ein Tor?«, fragte Byrnea.
Nuramon nickte, den Blick auf den grünen Kristall gerichtet. »Dieser Stein kann ungeheure Mengen Magie bündeln, aber er nutzt die Kraft, die ihm zufließt, nicht.«
»Kannst du das Tor öffnen?«, fragte Daoramu.
Nuramon legte seine Hand dicht über den Stein und schloss die Augen. Ein magischer Funke sprang auf den Kristall über und verlor sich in der Strömung der Magie. Nuramon schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll«, sagte er.
»Vielleicht genauso, wie du das Siegel am Albenstern gelöst hast«, sagte Daoramu. »Schau dir das Ganze doch einmal mit dem Siegelblick an.«
Nuramon starrte sie an. Dann schmunzelte er, staunte und schaute noch einmal zum grünen Kristall. »Unglaublich«, sagte er. Es war immer etwas Besonderes, Worte wie unglaublich oder unmöglich aus Nuramons Mund zu hören. Er schaute sich um, tippte dann mit den Fingerspitzen auf den Kristall. »Hier ist ein Siegel eingeschlossen.«
»Hätte es nicht brechen müssen, nachdem du das Siegel am Albenstern gelöst hast?«, fragte Daoramu.
Nuramon schüttelte den Kopf. »Es trägt einen anderen Hauch als die Siegel, die wir bisher gesehen haben. Ein solches Siegel sollte nicht abseits von Albenpfaden existieren.« Er schaute wieder umher. »Es gibt weitere Siegel. Sie tragen das gleiche Mal und ziehen sich um den Ort jenseits der Pforte. Die Magie umschließt den Ort wie eine Kugel. Was immer dahinter liegt – alle magischen Adern führen dorthin.«
»Das heißt, wir müssen wieder haufenweise magische Steine herbeischaffen?«, fragte Byrnea.
»Nein«, antwortete Nuramon. »Hier fließt mehr Kraft, als ich je brauchen werde. Schauen wir, ob ich diese Mengen der Magie auch zu lenken weiß.« Er legte die Hände dicht über den grünen Kristall, schloss die Augen, öffnete sie wieder, wandte sich mit misstrauischer Miene um und schaute an ihnen vorbei in den Gang zurück, durch den sie gekommen waren. »Bei allen Alben!«, flüsterte er. »Geht! In einen der Nebengänge! Wartet dort!«
Daoramu wollte widersprechen und an seiner Seite bleiben.
»Tut, was ich sage!«, wiederholte er, und weil sie ihm vertraute, folgte sie Byrnea und den Ilvaru widerwillig in den ersten der kleinen, dicht bewachsenen Seitengänge. Sie krochen unter den Ästen hinweg, und Daoramu musste in die Hocke gehen und streifte mit dem Kopf immer noch über den ersten Ast, der sich über ihr von der einen Wand zur anderen spannte.
Sie schaute hinaus zu Nuramon, wie er rasch die Hände auf den Kristall legte, die Augen schloss und die elfischen Silben sprach, die er schon auf den Himmelswiesen gesprochen hatte.
Da ließ sie ein den Boden erschütterndes Krachen zusammenzucken. Ein Stampfen folgte aufs nächste. Etwas Großes näherte sich, und die Ilvaru griffen nach ihren Waffen und machten sich bereit zum Angriff. Aber Byrnea hielt sie zurück. »Er weiß schon, was er macht«, erklärte sie und biss sich auf die Lippen.
Voller Angst verfolgte Daoramu aus ihrem Versteck heraus, wie ein riesiger Schatten durch den Gang vorwärtsstrebte und sich schließlich der Kopf einer gewaltigen Echse in Sicht schob. Ihr wald farbenes Haupt strotzte vor Hörnern und Schuppen. Das Wesen hielt inne und sog Luft durch das riesige Maul und kam
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