Nuramon
zum Schlafen verpasst hast, kannst du genauso gut wach bleiben.« Seine magischen Sinne waren erstaunlich klar; ganz so, als hätte der Schmerz, der mit dem großen Siegelzauber einhergegangen war, sie gereinigt. Körperlich fühlte er sich zwar geschwächt, doch die Neugierde schenkte ihm Kraft.
Er schaute in die Runde. »Der Kampf ist noch nicht gewonnen. Ich bin mir sicher, dass die Helbyrnianer sich nicht so leicht geschlagen geben. Was immer sich in der Barinsteinhöhle befindet, vielleicht ist es unsere Rettung.« Er dachte an Dareen und fragte sich, was sie sich von dem Brechen des Siegels erhofft hatte. »Wenn wir alle unser Werk tun, wird sich hier und nun alles entscheiden.«
Die Barinsteinhöhle
Daoramu folgte Nuramon ins Licht und trat hinter ihm auf einen Gang. Es war, wie er gesagt hatte: Der Boden war sandig, es roch nach Wald, und die Wände schienen tatsächlich aus Barinstein zu bestehen. Sie spürte, dass im Gestein Magie floss, und tief in dessen Innerem brannten Lichter.
Der Gang war so breit und wölbte sich so hoch über sie, dass Daoramu sich winzig fühlte; ganz so, als wären sie alle geschrumpft und würden durch Risse in einem Barinstein schreiten.
Nuramon strich mit den Fingerspitzen über die Kristallwand. »Da ist ein magischer Strom«, sagte er. »Ein Teil davon kommt aus dem Albenstern. Das ist die Magie der entsiegelten Pfade.« Er schaute von der einen Seite des Ganges zur anderen. »Die Magie vermischt sich mit der Kraft, die hier bereits fließt, und verteilt sich.« Das vermochte Daoramu nicht nachvollziehen. Sie spürte nur den Fluss in den Wänden.
Nuramon tippte auf die Wand. »Darin verlaufen die magischen Adern. Aber dahinter ist noch etwas, tief im Fels. Ungeheure Mengen von Magie. Eine hitzige Macht drängt von außen nach innen, aber eine andere Macht wölbt sich um den Fels – ein Zauber, welcher der hitzigen Kraft standhält.«
Die Ilvaru schauten sich mit unsicheren Mienen um.
»Aber in welcher Welt liegt dieser Ort?«, fragte Daoramu.
»Nicht in der Zerbrochenen Welt«, sagte Nuramon. »Denn jenseits dieser Wände und der schützenden Magie herrscht nicht die ewige Finsternis, die Leere und die Kälte, die um die Inseln der Zerbrochenen Welt zu finden sind. Es mag sein, dass wir hier tief unter der Welt sind oder in einer ganz anderen. Vielleicht sogar in einer Welt, die nur aus diesen Gängen besteht.«
»Oder in den Zwergenreichen von Albenmark?«, fragte Daoramu.
Nuramon schüttelte den Kopf. »Eine solche Macht wie jenseits des Felsens habe ich in den Zwergenreichen nicht erlebt. Die Magie da draußen ist gewaltig.« Er wies den Gang nach rechts entlang. »Dort ist ein Sog. Da fließt die Magie hin. Und was immer dort ist, es braucht den Zauber.«
»Der Windhauch kommt auch von dort«, sagte Byrnea und wies ebenfalls nach rechts.
Es roch nach Erde und Herbstlaub. Wenn dort, wo der Gang hinführte, tatsächlich Bäume sein sollten, dann musste dies ein Ort sein, den die Magie nährte, so wie die Inseln, aus denen die Zerbrochene Welt bestand. Vielleicht musste hier noch etwas entfesselt oder geweckt werden, das sich aus der Magie der Albenpfade nährt. »Könnte hier so viel Magie gebunden werden, dass die magische Flut in unserer Welt zurückgeht?«, fragte sie.
»Ein Ort, der die tobenden Mächte da draußen abhalten kann, mag einen solchen Zauber bergen«, antwortete Nuramon, wandte sich dann ab und bedeutete ihnen, ihm zu folgen.
Der Gang führte in einem weiten Bogen voran. Nuramon schaute immer wieder zu Boden, und als sie seinem Blick folgte, spürte auch sie, dass Magie unter dem Sand floss und von ihr fortströmte.
Dem Weg zu folgen war leicht, denn in den Seitenkorridoren gab es kein Durchkommen. Ein Geflecht aus Baumwurzeln senkte sich von der Decke herab, füllte die Gänge aus und tauchte in den Sand ein. Nuramon blieb stehen, legte mit der Hand ein Stück Wurzel werk frei, strich darüber und blickte dann zu Daoramu auf. Er musste nichts sagen. Es war, als hätte er glühende Kohlen ausgegraben, so sehr strahlte die Magie von der Wurzel ab.
Sie folgten Nuramon, und als der Weg aufwärtsführte, wurde auch der Waldduft intensiver. Schließlich erreichten sie eine Halle, die jede Erwartung übertraf. Zerfurchte Baumstämme drangen aus dem von blauem Dunst überzogenen Boden und reichten als Säulen bis zur Decke. Sie schritten wie durch einen gewaltigen Wald von Saal zu Saal. An manchen Stämmen wuchsen braune Pilze und rote Ranken.
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