Nuramon
zweifelte daran. Sie fürchtete, ihren Entschluss, den sie Nuramon im Ratssaal offenbart hatte, ihr ganzes Leben lang bereuen zu müssen. Als ihre Mutter fort war, vergrub sie sich in ihrem Bett, bis die Trommeln und das Flötenspiel den Abend willkommen hießen. Als die Gesänge von Lied zu Lied anschwollen, war es ihr, als versammelte sich dort unten in der Halle eine Menschenmenge, um sie lauthals zu verspotten. Ihr Vater ließ zweimal nach ihr schicken, doch sie weigerte sich, an der Feier teilzunehmen. Als es zum dritten Mal klopfte, riss Daoramu die Tür auf, um dem Hausvogt ihre Entscheidung ein für alle Mal ins Gesicht zu brüllen. Doch statt Ulargur stand sie Nylma gegenüber. Die Kriegerin blickte sie überrascht an.
»Verzeih mir«, sagte Daoramu und bat die Frau aus Teredyr herein.
Nylma zwinkerte ihr zu. »Ich habe schon einigen Kämpfern gegenübergestanden«, sagte sie. »Aber an dem Tag, an dem mir einer mit dem Blick begegnet, vergehe ich vor Feigheit.«
Daoramu schloss die Tür und geleitete die Kriegerin zu der Bank unter dem Fenster. »In diesen Tagen zeigen alle ihre neuen Gesichter. Ich zeige das Gesicht des Zorns und meine Eltern das des Misstrauens. Es ist wie auf einem Maskenball.« Sie musste schmunzeln. »Wie bist du überhaupt an den Wachen vorbeigekommen?«, fragte sie, als sie sich setzten.
»Ich sagte, ich hätte eine Abschiedsbotschaft von Nuramon.«
»Und? Hast du eine?«
Die Kriegerin schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht.«
»Schickt er dich denn?«
»Nein. Er ist bereit, dein Spiel zu spielen.« Nylma schaute sich im Raum um, und ihr Blick verharrte einige Zeit an den Wandmalereien der Jasborer Heldenfürsten.
»Und was willst du dann?«, fragte Daoramu.
»Dich etwas fragen, nichts weiter.« Nylma starrte ihr direkt in die Augen. »Ist es wirklich dein Ernst? Weist du ihn tatsächlich zurück?«
Daoramu ließ die Schultern hängen. »Ich muss, Nylma«, sagte sie.
»Weißt du, dass ich seit meiner Kindheit die Frauen von ihm schwärmen höre? Doch er ließ niemanden an sich heran. Es muss Jahre her sein, dass er sich einer Frau auf diese Weise anvertraut hat.«
»Nylma. Ich fühle alles für ihn, was ich dir sagte. Aber ich müsste schon mit ihm fortgehen, wenn ich dem Zorn des Fürsten entkommen wollte. Und dann könnte ich meinem Vater nicht mit meinem Rat beistehen. Ich könnte ihn nicht schützen, verstehst du?«
»Und wie genau sah der Rat aus, der ihn dazu brachte, gegen dein Empfinden zu handeln und Nuramon zurückzuweisen? Und hast du ihm auch geraten, die Wachen da draußen aufzustellen?«
Daoramu stand auf. Sie blickte aus dem Fenster in die Nacht hinaus. »Es stimmt: Das Vertrauen ist dahin.«
Nylma erhob sich und fasste Daoramus Hand. »Du bist nicht die Frau, die wir aus dem Kerker befreit haben. Du musst aber wieder zu dieser Frau werden. Sonst wirst du nur zu einer weiteren Adligen, die sich allem und jedem fügt.«
Daoramu seufzte. »Ich dachte immer, es bliebe mir erspart. Aber die Zwänge bestimmen uns alle, vom Bauern bis zum Fürsten.«
»Stell deinen Vater vor vollendete Tatsachen. Er wird damit um zugehen wissen. Wie ein Feldherr, der im Kampf vor eine neue Herausforderung gestellt wird.« Nylma lächelte sanft. »Mein Vater dachte, Yargir sei nicht gut genug für mich. Und ich sagte ihm, er solle nicht schlecht über den Vater seiner zukünftigen Enkelkind er sprechen. Nun sind Yargir und ich Mann und Frau, und mein Vater hat jeden Zweifel überwunden. Wir haben ihm keine Wahl gelassen.«
»Ihr seid Mann und Frau?« Daoramu musste lächeln, doch Nylma wiegelte ab und zog einen Almandin an einer Lederkette aus dem Ausschnitt ihres Hemdes. Daoramu erkannte ihn wieder. Nuramon hatte ihr den roten Edelstein im Minendorf gezeigt.
»Dies machte Nuramon mir zum Hochzeitsgeschenk. Einst wurde es ihm von seiner Liebe geschenkt, und es rettete ihm das Leben. Nun gibt er es einfach her und lässt alles Alte, das ihn gebunden hat, hinter sich. Verstehst du?«
Daoramu starrte den Almandin an und fragte sich, ob es Nuramon schwergefallen war, diesen Stein, der ein wichtiger Teil seines Lebens war, fortzugeben. Aber was hatte sie aufgegeben, um ihn für sich zu gewinnen? Sie überlegte lange und fällte schließlich einen Entschluss. »Ich komme mit«, sagte sie. »Noch heute Nacht.«
Nylma umarmte sie. »So kenne ich dich.«
»Ich habe solche Angst«, sagte Daoramu und lachte. Sie fühlte sich fast schwebend und war dabei zittrig vor
Weitere Kostenlose Bücher