Nuramon
haben oft nach der Grafentochter gefragt. Wenn der Westen so dumm ist, euch den Wind ins Gesicht zu blasen, so ist es unser Gewinn.«
»Es ist jetzt an der Zeit, die Wunde zu heilen«, sagte Nuramon, um auf etwas anderes zu sprechen zu kommen. Denn er war sich nicht sicher, ob ihre Zukunft hier in Teredyr lag.
Er legte erneut seine Hände auf Daoramus Knie und ließ seine heilenden Kräfte fließen. Daoramu fragte ihn, ob er jede Wunde und jede Krankheit heilen könne, ob er die Zauber beliebig oft wirken könne und wie er die Magie wahrnehme. Und Nuramon antwortete, dass sich viele Wunden und Krankheiten seiner Macht entzögen und die Zauberei an seinen Kräften zehre. »Und jeder, der Magie wirkt, spürt sie anders«, erklärte er. »Die einen sehen die Magie als ein Geflecht, ein Gewebe, als Fäden, durch welche die Kräfte dringen. Andere betrachten sie als Macht, die wie Erzadern im Gebirge verläuft.«
»Und du?«, fragte Daoramu. »Was ist es für dich?«
Yangor, der dem Gespräch mit wachem Blick folgte, nickte. »Das würde mich auch interessieren.«
»Lange war es für mich Geäst und Wurzelwerk. Die Magie war wie eine gewaltige Pflanze, die sich um die Welt rankt. Denn in Albenmark gab es beseelte Bäume. Und manche von uns lernten die Magie von ihren Geistern. So prägten sie auch unsere Vorstellung. Später aber fand ich andere Sichtweisen. Die des Erzes lernte ich bei den Zwergen, den Kindern der Dunkelalben. Die meisten von ihnen waren diesem Weg gefolgt, aber gerade Thorwis, der mächtigste Zauberer unter ihnen, teilte ein Gefühl mit mir, das ihn gelegentlich beschlich und das auch ich in vielen Leben verspürte: dass die Magie wie Wasser ist. Ich spüre ein Fließen und Strömen, mit Wellen und Strudeln; gelegentlich so heiß, dass das Wasser kocht, dann wieder so kalt, dass es gefriert.« Er schaute zwischen Yangor und Daoramu hin und her. Wie staunende Kinder schienen sie an seinen Lippen zu hängen. Er schmunzelte sie an und sprach weiter: »Alles, was wir wahrnehmen, und gewiss vieles von dem, was jenseits unserer Sinne liegt, ist in dieses Wasser getaucht. Eine Welt im Meer der Magie.« Er löste die Hände von Daoramus Knie. »Wie geht es dir jetzt?«, fragte er.
»Es kitzelt nicht einmal mehr.« Sie strich sich mit den Fingerspitzen über das Knie. »Werden die Schmerzen zurückkommen, wenn dein Zauber abklingt?«
»Er ist abgeklungen.«
Sie fasste seine Hand. »Danke«, sagte sie liebevoll.
Nylma und Yargir kehrten zurück. Man musste kein Gespür für Menschen haben, um zu wissen, warum Yargir so blass und Nylmas Wangen so rot waren, wieso sie erschöpft wirkten und so lange drau ßen im Stall gewesen waren. Yangor schloss die beiden Krieger in die Arme. »Werengols Gemächer gehören euch, solange ihr wollt«, sagte er.
Nylma und Yargir tauschten erleichterte Blicke. Sie hatten auf den Albenpfaden noch darüber gesprochen, dass sie alleine schon deswegen nicht in ihren Elternhäusern unterkommen wollten, um keiner der beiden Familien den Vorzug zu geben. Auf den Ausweg, den Yangor ihnen bot, hatten sie gehofft.
Als sich Nylma und Yargir zurückgezogen hatten und Nuramon und Daoramu sich gleichfalls verabschieden wollten, bat Yangor Nuramon, noch auf ein Wort zu bleiben.
»Ich warte auf dich«, flüsterte Daoramu Nuramon ins Ohr und sandte ihm mit ihrer betörenden Stimme einen solchen Schauer den Körper hinab, dass er geneigt war, Yangor zu bitten, das Gespräch zu verschieben. Doch schon war Daoramu mit einem lieblichen Lächeln auf den Lippen verschwunden, und Nuramon war allein mit dem Stadtältesten.
Yangor legte ihm die Hand auf die Schulter. Nuramon mochte seine väterliche Art. Mit den buschigen Brauen, die dunkler waren als das Grau seiner Augen, erinnerte Yangor ihn an einen zwergischen Gelehrten.
Der Stadtälteste räusperte sich. »Ich habe mich nicht getraut, es dich zu fragen«, sagte er schließlich. »Aber nun, da du mit deiner Geliebten ein neues Heim suchst, möchte ich dir ein Angebot machen. Bleibe hier in Teredyr, Nuramon. Der Rat macht dich zu unserem Wyrenar. Du stellst eine Garde auf und erhältst ein Haus hier in der Stadt und zudem einen Hof, ein Feld und einen Anteil an der Mine. Meine Schwiegersöhne und meine Nichte sind oben an dem Albenstern im Hochland und bauen eine Siedlung auf. Dort liegen gute Jagdgründe. Seit die Räuberbanden fort sind, haben wir dort nichts mehr zu fürchten. Wir könnten einen Bogenschützen wie dich gebrauchen, der
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