Nuramon
Fingerspitzen auf ihrer Haut zu spüren. »Dein Knie ist aufgeschlagen«, erklärte er mit warmer Stimme und holte etwas von dem nunmehr regungslosen Pferd.
Das warme Licht des Barinsteins schälte sich aus der Dunkelheit. Daoramu erblickte den Pfeil, der im Hals des Tieres steckte, und schaute sich dann zu Nylma um. Die Kriegerin lächelte sanft.
Als Nuramon mit seinem Dolch einen kleinen Schlitz in ihre Hose schnitt, um seine Fingerspitzen unmittelbar auf die schmer zende Stelle legen zu können, sah Daoramu, dass Blut an seiner Wange herabperlte. Sie wischte es fort und stellte mit Erleichterung fest, dass es nicht ihm gehörte. Es musste von jenen stammen, die ihnen aufgelauert hatten. Nuramons Blick wechselte zwischen ihren Augen hin und her. Seine Hände waren kühl wie Quellwasser und betäubten den brennenden Schmerz, bis er nur noch ein Kitzeln war. Und selbst als er die Hände von ihr löste, blieb das kühlende Gefühl.
Yargir kam zurückgeritten. »Sie sind im Wald verschwunden. Ich habe sie laufen lassen.«
»Aber wer waren sie?«, fragte Nylma.
»Wegelagerer hatten wir hier ewig nicht mehr«, erklärte Daoramu. Es gab hier wie überall in Yannadyr Diebe und Räuber, aber sie suchten sich ihre Opfer in der Regel gezielt aus. Die Schwertfürsten ihres Vaters hatten gerade in den letzten Jahren viel Respekt verbreitet, und die Bauern und Händler fühlten sich sicher.
»Das sind jedenfalls keine Krieger aus Merelbyr«, sagte Yargir, der zu den toten Kriegern hinübergegangen war.
Daoramus Knie fühlte sich fremd an, aber dennoch erhob sie sich. Nuramon stützte sie mit der freien Hand, in der anderen hielt er den Barinstein und beleuchtete die leblosen Körper zu Yargirs Füßen. Die Toten erschreckten Daoramu. Drei von ihnen hatten klaffende Brustwunden, der letzte einen aufgeschnittenen Hals. Zwei starrten in den Himmel und wirkten, als stellten sie sich nur tot. Die Stoffrüstungen und die dunkelgrauen Mäntel, die die toten Männer trugen, sagten ihr nichts, aber die Messingfibeln erkannte sie. Sie zeigten den Bären, das Zeichen des Herzogs von Byrmul.
»Helerur«, sagte sie leise.
Nuramon nickte langsam. »Er will nicht, dass ich dem Fürsten zu nahekomme.«
Daoramu starrte erneut in die Gesichter der toten Krieger und flüsterte: »Helerur – ich habe ihn bewundert, wisst ihr. Viele Jahre lang. Und nun hat er Meuchelmörder auf uns angesetzt.« Sie dachte an ihren Vater. Solange Helerur sich seiner Freundschaft gewiss sein durfte, wäre er sicher. Ihr Vater würde seinem alten Freund ein guter Diener sein, wenn dieser erst einmal zum Fürsten aufgestiegen war. Zumindest in dieser Hinsicht musste sie sich vorerst keine Sorgen machen.
Nuramon zog sie sanft an sich heran und fuhr ihr durch das vom Wind zerzauste Haar. »Helerur konnte nicht wissen, dass du bei mir bist«, sagte er. Doch das beruhigte Daoramu nicht. Allein der Gedanke, dass Helerur zu solchen Mitteln griff, und das so leichtfertig, erschütterte sie. Es war wie die letzte Lektion eines Lehrmeisters. »Ich will nur noch fort«, sagte sie und wandte sich ab.
Nylma überließ Nuramon ihr Pferd und stieg bei Yargir auf. Als Nuramon seine Taschen geholt hatte, half er Daoramu in den Sattel und stieg erneut hinter ihr auf. Das überraschte sie. »Vielleicht solltest du lieber …«, sagte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Es ist deine Flucht aus deiner Heimat.«
»Du bist unsere Feldherrin, Daoramu«, erklärte Nylma und brach te sie damit zum Schmunzeln.
Nuramon ließ den leuchtenden Stein in einem seiner Beutel verschwinden, und die Nacht legte ihren Schleier über die grausamen Einzelheiten des Kampfes. Daoramu fühlte weder Schuld noch Zorn. Sie dachte nur an ihre Träume, die ihr schon wieder ein Stück weiter vorausgeeilt waren.
Eine Nacht in Teredyr
Der Morgen war noch fern, und es regnete, als Nuramon mit Daoramu, Nylma und Yargir Teredyr erreichten. Das Westtor war vor fünf Tagen fertig geworden und gewährte den Menschen, die aus dem Hochtal zurückgekehrt waren, endlich wieder ein Gefühl der Sicherheit. »Mein Haus ist euer Haus«, hatte der Stadtälteste noch am Morgen zu Nuramon gesagt, und so schlugen sie den Weg zur Familie Yurgaru ein, während eine der Wachen voraneilte, um sie anzukündigen.
Yargir leuchtete den Gefährten mit dem Licht des Barinsteins, den Nuramon ihm geschenkt hatte, den Weg durch die finstere Stadt. Daoramu saß als Einzige im Sattel. Ihr Knie war geprellt, und sie hatte ihre
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