Nuramon
du?«, fragte sie schließlich.
Daoramu zögerte und starrte der Geistergestalt in die nachtschwar zen Augen. Nach einer Weile sagte sie: »Ich bin Daoramu, Nuramons Frau.«
Auf dem Elfengesicht regte sich ein Ausdruck wohlwollender Verwunderung, aus dem sich langsam ein Lächeln formte. »Das freut mich«, sagte Ceren. Sie lächelte zwar, aber es stimmte etwas nicht an ihrer Mimik. Sie atmete nicht; sie blinzelte ebenso wenig. »Dann weißt du, was geschehen ist«, sagte sie. »Lebt Alaen Aikhwitan noch?«
Daoramu überlegte. Nuramon hatte ihr so vieles erzählt, hatte aber wenig über das Schicksal der beseelten Rieseneiche gesprochen. »Alaen Aikhwitan war fort und wurde von Yulivee neu gepflanzt«, sagte sie schließlich. Sie zuckte zusammen, als Ceren mit einem Mal einatmete, nur um kurz darauf erleichtert wieder auszuatmen. Es schien nur ein gezielter Ausdruck ihrer Gefühle zu sein, den sie sich offenbar durch Beobachtung abgeschaut hatte.
Ceren fragte, was Nuramon seit dem Auszug aus Albenmark erlebt hatte, und Daoramu gab ihr bereitwillig Auskunft. Mit der Geistergestalt zu sprechen nahm ihr das Unbehagen. Nicht dass sie Ceren gefürchtet oder von ihr ein Leid erwartet hätte. Der Geist war ihr nur in Wesen und Erscheinung derart fremd, dass er sie verunsicherte.
»Du kennst ihn viel besser als ich«, sagte Ceren schließlich. »Ich habe ihn früher gespürt, manchmal glaubte ich, seine Gedanken hören zu können. Aber es war wie der Duft eines geliebten Kindes. Das Kind einer Schwester, für das man nun sorgen soll.«
»Aber nun kannst du ihn besser kennenlernen«, sagte Daoramu.
Ceren wich ihrem Blick kurz aus. »Wenn er es zuließe.«
Daoramu schmunzelte. »Ich werde mit ihm reden.«
Ceren nickte kurz, dann verschwand sie vor ihren Augen.
Daoramu starrte auf den Stein im Feuer, der noch immer makellos schien, und beschloss, hier am Kamin auf Nuramon zu warten. Er brauchte sicherlich ein wenig Zeit, um seine Gefühle zu ordnen, und auch sie musste erst einmal begreifen, was die Ankunft der Vertrauten für Nuramon bedeuten mochte.
Eine Stunde verging, ehe Nuramon zurückkehrte. In seinem Blick lag ein Flehen. »Verzeih mir!«, hauchte er und schloss sie in die Arme.
»Bitte nicht mich um Verzeihung, sondern Ceren«, sagte sie liebevoll.
»Das ist nicht Ceren«, erwiderte er leise.
»Wer sonst hätte von ihrer Gestalt wissen sollen? Oder bist du nicht der Einzige, der sich noch an ihre Erscheinung erinnert?«
»Ich bin neben Emerelle wahrscheinlich der Einzige.«
»Dann ist sie der Rest dessen, was die Drachen zu vernichten versuchten«, sagte Daoramu. »Der Rest, den ihr zu Alaen Aikhwitan gebracht habt. Hätte Alaen Aikhwitan sie erwecken können und wäre sie euch damals so erschienen wie nun, hättet ihr so reagiert wie du eben?«
»Gewiss nicht«, sagte Nuramon. Er schwieg lange, ehe er wieder Worte fand. »Ich hatte plötzlich all das Leid vor Augen«, sagte er. »All die Opfer, die wir erbrachten, um sie zu retten. Und ich erinnere mich an die Enttäuschung, als wir alles hinter uns gebracht hatten und Alaen Aikhwitan uns erklärte, dass nur noch ein Hauch von ihr geblieben sei und sie nicht zu uns würde sprechen können. Und jetzt, nach so langer Zeit, ist sie hier bei mir. Nur bei mir. Dabei sollte sie bei meiner Sippe sein.«
Daoramu strich ihm über die Hand. »Durch all die Jahre, die deine Sippe dich mied und du allein in deinem Haus aus dem Holz ihres Baumes lebtest, hast du sie für dich gewonnen. Du bist doch der Einzige, der ihre Bedeutung überhaupt noch zu schätzen weiß.«
»Aber Yulivee hat mein Ansehen gestärkt«, sagte Nuramon. »Die Jüngeren meiner Sippe haben sich wieder auf den Anfang besonnen. Dort hätte Ceren viel bewegen können.«
»Aber Yulivee war es, die dafür gesorgt hat, dass Ceren bei dir ist. Und Alaen Aikhwitan, die Dschinne und die Königin haben ihr geholfen. Dieses Kleinod ist durch die Hände der Mächtigen gegangen. Was immer sie hier für dich sahen, war es wert, dir die Wahrheit zu verschweigen. Du weißt, wie das ist.«
»Woher sollte ich das wissen?«, fragte Nuramon stutzend.
»Weil du auf diesem Pfad noch viel weiter gegangen bist. Du warst es, der Noroelles Sohn töten wollte, um sie zu retten. Du warst bereit, ihren Hass auf dich zu ziehen, nur um sie in Sicherheit zu wissen. Du hättest etwas zutiefst Verwerfliches getan, um deine Geliebte zu retten. Das ist weit mehr, als jemanden, den man liebt, zu belügen, in der Gewissheit,
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