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Nuramon

Nuramon

Titel: Nuramon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sullivan
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sprach er nicht, und bald fragte ihn niemand mehr danach. Aber er offenbarte es mir. Und dann flehte er mich an, ich möge nicht verraten, dass du die Seele seines Vaters in dir trägst. Ich versprach es ihm unter zwei Bedingungen: Zum einen wollte ich, dass er den Namen seiner Mutter – Ulema – in der Sippe vergab. Zum anderen sollte er dir als Zeichen deiner Herkunft deinen alten Namen geben. Ich hoffte, er würde seine Wurzeln irgendwann in aller Demut annehmen und erkennen, dass auch er nur der Sohn liebender Eltern war. Aber ehe er so weit war, ging er ins Mondlicht.«
    Ceren lächelte liebevoll. »Er kam immer zu mir, wenn er nicht schlafen konnte, und lehnte sich an meinen Stamm. Ich behütete ihn wie einen Säugling. Und dann eines Nachts holte ihn das Mondlicht. Am Morgen fand man nur die Wolldecke, aus der er sich in der Nacht herausgewunden hatte.«
    Nuramon konnte Weldaron nicht verachten. Er sah immer das Schmunzeln des Neugeborenen, wenn es seine Nähe bemerkte. Es waren ihm zu wenige Erinnerungen aus seinen ersten beiden Leben geblieben, als dass sie sich zu einem Ganzen fügten. »Was hat er dir von mir als Vater erzählt?«
    »Wenig. Dass er seine Großeltern nicht kannte, du irgendwann verschollen warst und seine Mutter ins Mondlicht entschwand, ehe er herangewachsen war.«
    Nuramon bedauerte, dass das Wissen, das Ceren über seine ersten beiden Leben offenbarte, keine eigenen Gedankenbilder freizulegen vermochte. Seine eigene Erinnerung an die Zeit nach Ischemon begann mit seiner Kindheit bei seiner Sippe. Dort hatte er für kurze Zeit Anerkennung gefunden, nur um diese mit dem nächsten Leben wieder zu verspielen. Und damit hatte die Zeit des Niedergangs begonnen. »Es tut mir leid, dass wir dich nicht vor dem Angriff der verbliebenen Drachen schützen konnten«, sagte er. Nach dem Fall Cerens war es Emerelle gewesen, die fortan seiner Sippe erklärt hatte, welche Kinder wiedergeborene Seelen in sich trugen. So war Cerens Bedeutung unter Weldarons Nachkommen über die Jahrhunderte geschwunden. »Wir hätten merken müssen, dass da noch ein Hauch von dir war.«
    Ceren senkte den Blick. »Was Alaen Aikhwitan lange Zeit nicht bemerkte, musste auch euch verborgen bleiben.« Und kaum hatte sie diese Worte gesprochen, erzählte sie, wie sie die Jahrhunderte überdauert hatte. Sie berichtete von der Attacke der wilden Drachen und wie sie selbst die darauf folgende Flucht zu Alaen Aikhwitan nur im Halbschlaf erlebt hatte. »Es war ein Glück, dass die alte, weise Eiche euch gebot, aus meinem Holz ein Baumhaus in ihrer Krone zu bauen. So konnte ich euch spüren. Aber mit der Zeit gingen jene, die ich von früher kannte, ins Mondlicht. Doch deine Gedanken und auch die all deiner Eltern drangen bis zu mir in meinen Schlaf. Das Holz eures Hauses hatte Ohren, und selbst als du mit dem Bogen auszogst, der aus meinem Holz gefertigt war, war ein Teil von mir immer bei dir. Nicht viel. Nur ein Ohr, das dir lauschen konnte, und ein Mund, welcher nach deiner Rückkehr das Vernommene an mich weiterflüsterte – bis der Bogen eines Tages nicht mehr wiederkehrte. Du aber kamst jedes Mal zurück, und mein Wunsch zu leben und mich dir zu offenbaren, wuchs mit jedem Frühling. Ich wollte dir zur Seite stehen, auf dass deine Sippe wieder erblühte und ich mit ihr.«
    »Deswegen hast du dich auf dieses Wagnis eingelassen«, sagte Nuramon und blickte zum Stein in den Flammen.
    »Alaen Aikhwitan spürte, dass ich ins Leben zurückwollte, doch er war am Ende seines Wissens und seiner Macht.«
    »Warum hat Alaen Aikhwitan nichts gesagt? Ich erinnere mich an Zeiten, da meine Sippe alles getan hätte, um auch nur einen Augenblick deine Stimme zu hören. Selbst für eine Gefühlsregung deinerseits – von Aikhwitan an uns herangetragen – wären wir auf die Knie gefallen.«
    »Damals wusste er nicht, dass er mehr als den letzten Hauch eines Wesens in sich bewahrte. Er merkte nicht, dass ich ihn spüren und sogar seine Gedanken hören konnte. Und dann – eines Tages – war es so weit: Ich war so sehr mit Alaen Aikhwitan verwachsen, dass er endlich meine Stimme vernahm. Zu jener Zeit war Yulivee die Einzige, der er sich offenbaren konnte. Du warst verschollen, und Aikhwitan fürchtete, er und ich würden bei deiner Rückkehr nicht mehr da sein. Und genau das wäre auch geschehen, wenn Yulivee nicht geholfen hätte.«
    »Aber wie genau hat Yulivee deinen Geist von dem Alaen Aikhwitans gelöst?«
    Ceren wies zum Feuer.

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