Nuramon
ihrer Stimme klang Verwunderung. »Hast du einen Zauber über sie gesprochen, Nuramon?«
Es mochte sein, dass die Magie des Liebesspiels der letzten Nacht noch nachwirkte, aber vermutlich würde es Daoramu nicht gefallen, wenn er dieses Detail erwähnte.
Ceren trat näher, wies mit dem Finger auf Daoramus Brust und senkte ihn dann langsam, als folge sie einer Spur. Unterhalb des Bauches hielt sie inne. »Dort!«, sagte sie und lächelte. »Ein Hauch von Leben, das im Begriff ist, die Seelenbande zu schließen.«
Nuramon erstarrte.
»Ein Kind«, sagte Ceren. Sie strich Daoramu mit ihren Geisterhänden durch die Wange. »Mit einer Menschenfrau als Mutter und einem Elfenmann als Vater.« Sie schaute in die Runde, und ganz gleich wie weit sich ihre Augen weiteten, sie blieben pupillenlos und nachtschwarz.
Nylma und Yargir lächelten, Daoramu jedoch strich sich über den Bauch und schien alles um sich herum vergessen zu haben. Sie erwartete ein Kind. Das war eine Gnade, die sie sich gewünscht, auf die zu hoffen Nuramon jedoch nicht gewagt hatte.
»Ceren«, hauchte Daoramu und strich ihr über den Schein ihrer Schulter, dann glitten ihre Finger durch den Arm hindurch, und sie zog die Hand langsam wieder zurück. »Wirst du mir helfen?«
»Ich werde über dich wachen«, sagte Ceren mit sanfter Stimme. »Und über dich, Nylma, ebenfalls.«
Nylma und Yargir tauschten unsichere Blicke, und Ceren deutete auf Nylmas Brust. »Zuerst dachte ich, es wäre nur der Zauber, der dort ruht.«
»Das ist ein magischer Almandin«, erklärte Nylma.
Die Geisterfrau schmunzelte. »Er birgt seine eigenen Geheimnisse«, sagte sie. »Aber dort in deinem Leib ruht ein besonderer Hauch von Leben. Auch du erwartest ein Kind, Nylma.« Sie legte ihre Hand dicht an Nylmas Leib. »Es ist schon ein wenig älter. Eine Blutung ist schon ausgeblieben.«
Nylma nickte strahlend, und Yargir lachte vor Freude. »Wir vermuteten es«, sagte er.
»Und ihr habt uns nichts gesagt?«, rief Daoramu in gespielter Empörung.
Nylma zwinkerte ihr zu. »Ich wollte sicher sein. Und ich wollte, dass wir unsere Suche nach Alvarudor zu Ende bringen und nicht meinetwegen kehrtmachen.«
»Dass ich nichts bemerkt habe«, sagte Daoramu kopfschüttelnd.
»Ich habe zwischen Winterkälte und Wüstenhitze auch kaum etwas gemerkt«, erklärte Nylma grinsend, und dann fielen die beiden Frauen einander in die Arme.
»Ich glaube nicht, dass es Zufall ist, dass unsere Kinder sich entschlossen haben, gemeinsam heranzuwachsen«, sagte Yargir.
»Das Schicksal will, dass wir noch etwas länger zusammenbleiben«, sagte Nylma und löste sich halb aus Daoramus Umarmung.
Beide Frauen sahen Nuramon erwartungsvoll an. Er dachte an jene Kinder, die er in seinen früheren Leben gehabt hatte. An seinen Sohn Weldaron erinnerte er sich nur bruchstückhaft, die anderen hatte er durch seine frühen Tode entweder gar nicht, wie etwa Gaomee, oder erst später kennengelernt.
Als das Strahlen in Daoramus Gesicht langsam erlosch und einem Ausdruck tiefer Verunsicherung wich, fiel Nuramon auf, dass er zu lange geschwiegen hatte. Und die Blicke der anderen bewiesen, dass auch sie es bemerkt hatten.
»Du willst doch ein Kind mit mir?«, fragte Daoramu leise.
Da fasste er ihre Hände und küsste sie. »Ich möchte viele Kinder mit dir, Daoramu«, sagte er. Er schloss sie lange in die Arme und tastete nach ihrem Bauch, doch seine magischen Sinne waren nicht so feinfühlig wie die Cerens.
»Der Anfang einer neuen Sippe«, flüsterte Daoramu ihm ins Ohr und jagte ihm damit einen Schauer über den Rücken. Eine Last, die er nie bemerkt hatte, fiel von ihm ab. Er war hier, mit der Frau, die er liebte, mit Freunden und einer längst verloren geglaubten Vertrauten. Und sie befanden sich am Anfang eines Schicksalspfades, den zu finden er vor einem Jahr nicht einmal für möglich gehalten hätte. Und als er nun durchatmete, wich sein Erstaunen einem Gefühl unbändiger Neugierde. Selten hatte er mit so viel Zuversicht in die Zukunft geblickt.
Orakelblick
Fürst Yarro von Yannadyr schob den Riegel vor und wich entsetzt zurück. Er hatte die Frau ausgesperrt, die er einmal geliebt hatte, und nun flehte sie ihn an zu öffnen. Sie schrie erst vor Verzweiflung, dann vor Schmerz. Schließlich herrschte Stille – wie am Vortag, als er den Feinden das Palasttor nicht geöffnet hatte und sie daraufhin seinen beiden Töchtern die Kehlen durchgeschnitten hatten. Als der Trank endlich zu wirken begann,
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