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Nuramon

Nuramon

Titel: Nuramon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sullivan
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lauschte am Lagerfeuer den Gesprächen der werdenden Eltern und starrte in den Sternenhimmel. Die Menschen fragten Nuramon, ob er mit seiner Magie spüren könne, welches Geschlecht die Kinder hatten, doch er vermochte es nicht. Da bemerkte sie die Blicke, die ihre neue Familie ihr zuwarf. Sie lächelte jeden von ihnen an und sprach: »Es sind ein Junge und ein Mädchen.« Mehr sagte sie nicht – ganz gleich, wie sehr Daoramu und Nylma darum baten, sie möge ihnen verraten, welches Kind ein Junge und welches ein Mädchen war.
    Daoramu sah über das Blut in den Wasserschüsseln und über die blutigen Tücher und Laken hinweg in das glückliche Gesicht der Mutter. »Ein Junge«, sagte Nylma und schaute zu Yargir hinüber. »Er soll Waragir heißen«, sagte sie. Das war der Name von Yargirs Großvater gewesen.
    »Tja, Nuramon. Jetzt warten wir auf eure Kleine«, sagte Yargir grinsend.
    Daoramu saß derweil an Nylmas Seite und bestaunte den Säugling, der bereits nach der Brust seiner Mutter suchte.
    »Und wirst du deine Tochter in Yannadyr zur Welt bringen?«, fragte Nylma.
    »Ich habe lange darüber nachgedacht«, antwortete Daoramu und nickte schließlich. »Ja. Ich will die Gesichter meiner Eltern sehen.«

Jasbor

    Am 3. Byrrun, zwei Tage nach Herbstbeginn, erschienen Nuramon und seine Gefährten mit ihren neuen Pferden an einem Albenstern, der auf einer Steinklippe lag, und wandten sich nach Norden. Dort erhob sich im Dunst Jasbor wie eine Hügelkette aus dem Meer.
    »Jasbor – Stadt und Insel gleichermaßen«, sagte Daoramu, und Nuramon hörte die Freude in ihrer Stimme. Doch auch wenn sie aufrecht im Sattel saß und beim Anblick der Stadt ihrer Kindheit lächelte, schlich sich gelegentlich Sorge in ihre Miene. Sie streichelte ihren Bauch mit der freien Hand, als wolle sie das Kind beruhigen.
    Gemächlich ritt Nuramon mit Daoramu, Yargir und Nylma, die ihren Sohn Waragir in einem Tuch unter der Brust trug, die Küstenstraße hinab und auf die Insel zu, die in der Mündung des Furjes lag und nach Norden in die Strömung des Flusses stach. Eine hohe Klippe teilte die Stadt in einen Ost- und einen Westteil. Nach Norden hin senkte sich die Insel in Weiden und Feldern in die Tiefe; gen Süden zog sich ein Wald bis zum Meer hinab, und Schiffsmasten ragten über die Baumkronen und die Hügel hinweg. Die grauen Ziegeldächer der Häuser, die sich vom Meer bis zur Klippe erstreckten, leuchteten in der Mittagssonne, während sich im oberen Teil der Stadt und auf den Hügeln Türme, Tempel und Herrenhäuser in die Breite zogen.
    Erst als sie an der Küste vor Jasbor in die Fischerdörfer kamen, begegneten sie den ersten Menschen. Diese trugen Kleidung aus dickem Stoff, die dem Wind und dem Wasser etwas entgegenzusetzen vermochte und deren Farben matt waren, als hätte die Sonne sie rasch verblassen lassen. Statt Halstüchern, wie sie Nylma und Yargir trugen, waren hier Kopftücher, Hauben, Kapuzen und Kopfbänder verbreitet, die das Haar vor dem immerwährenden Wind schützten. Viele der Männer bevorzugten kurzes Haar; die meisten Frauen trugen Zöpfe. Da fielen Nylma mit ihrem offenen Pferdeschwanz und Yargir mit seinem wilden Haar auf, während Nuramon mit seiner Kapuze und Daoramu mit dem hochgesteckten Haar beinahe hierherpassten.
    Einige Fischer fragten sie, woher sie kamen und was sie hergeführt hatte. Und als Daoramu ihnen antwortete, sie wolle ihr Kind in ihrer Heimat zur Welt bringen, erkannten die Leute sie an ihrer Aussprache als Einheimische. Nuramon erstaunte dies, da Daoramu die meiste Zeit ihres Lebens in Merelbyr verbracht hatte. Als sie schließlich am Fährhafen gegenüber der Südspitze Jasbors von den Hafenwachen nach ihrem Begehr gefragt wurden, antwortete sie: »Ich bin Daoramu Yannaru, die Tochter Borugars von Jasbor. Und dies ist Nuramon Alvaru.« Die Wachen erstarrten und schienen Nylmas, Yargirs und Waragirs Namen gar nicht mehr wahrzunehmen.
    Als Nuramon schließlich seine Kapuze zurückschlug und sein Gesicht preisgab, starrten die Wachen ihn an, als stünde ihnen ein Geist gegenüber. Dann aber kehrte das Leben in die Männer zurück, sie nahmen ihnen auf Daoramus Bitte hin die Pferde ab und geleiteten sie zu den Booten, von denen sie eines nach Jasbor bringen sollte. Die Wachen versprachen, die Teredyrer Pferde mit der Viehfähre nachzubringen und ihnen derweil am anderen Ufer Tiere der Jasborer Garde zur Verfügung zu stellen. Als das Boot ablegte, strahlte Daoramu wie ein Kind. Sie

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