Nuramon
und sei es unter dem varmulischen König –, ihre alten Ambitionen wiederentdecken.«
»Und was ist falsch daran?«, erwiderte ihr Vater. »Ich wollte nie Fürst sein. Ich träumte davon, als Graf von Jasbor der Herr dieses Palastes zu sein. Vielleicht sollte ich mich darauf zurückbesinnen und die Fürstenwürde loslassen.«
Ceren rührte sich nun »Es ist weise, nicht höher hinauszuwachsen, als man es für angemessen hält«, sagte sie und lächelte Borugar an. »Es ist edel, an die eigene Sippe zu denken und auf die Macht, die stets mit Zwängen einhergeht, zu verzichten. Aber das Schicksal hat dich auf einen Pfad geführt, der weit über deine Träume hinausreicht. Du solltest ein Geschenk nicht leichtfertig zurückweisen. Am Ende könntest du es bereuen.«
Daoramu spürte, wie Nuramon nach ihrer Hand fasste und sie kurz fest mit der seinen umschloss. Dann löste er den Griff und er hob sich. »Wir können nicht verlangen, dass dein Vater auf der Krone besteht, ohne selbst ein Wagnis einzugehen«, sagte er.
Daoramu sah ihn entgeistert an. Natürlich hatte die Aussicht, dass ihr Vater Helerur die Krone überlassen könnte, alles verändert, aber sie und Nuramon waren sich einig gewesen, dass er sich zurückhalten sollte. Doch noch ehe sie ihn an ihre Abmachung erinnern konnte, sagte er: »Es tut mir leid, Daoramu. Als wir in Doranyr davon erfuhren, dass dein Vater hier als Fürst herrscht, konnten wir das nicht ahnen.« Er spielte auf Helerur an, denn dass ihr Vater als Fürst einen schweren Krieg zu führen hatte, das hatten sie in Doranyr erfahren und in Erwägung gezogen. »Wir müssen ihm helfen«, sagte Nuramon. Dann wandte er sich an Borugar. »Ich sichte die Albenpfade und fertige eine Karte an. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, führe ich deine Krieger über die Albenpfade in den Kampf. Dafür versprichst du, der Schlacht fernzubleiben.«
»Das würdest du tun?«, fragte Borugar. »Wirklich, Nuramon, ich verlange es nicht. Ich meine, was ich sage. Ich würde Helerur den Thron überlassen.«
Nuramon suchte Daoramus Blick, und schließlich nickte sie. Dass Nuramon in die Schlacht ziehen könnte, machte ihr Angst, aber Helerur den Thron zu überlassen war ihr unerträglich. Sie senkte den Kopf, war den restlichen Abend schweigsam und schob es auf ihre Müdigkeit.
Schließlich zogen sie und Nuramon sich in ihre Gemächer zurück. Die weiten Zimmer mit den hohen Decken, in denen sie fortan mit Nuramon leben sollte, waren viel zu geräumig für ihren Geschmack. Immerhin war der Palast nicht so prunkvoll eingerichtet, wie sie es aus ihren Zeiten als Gast in diesem Hause kannte. Vermutlich hatte ihre Mutter bereits etliche Möbelstücke entfernen oder ersetzen lassen.
Als sie und Nuramon gemeinsam am Fenster standen und in die Nacht hinausschauten, flüsterte sie: »Wie konnte es so weit kommen?«
»Wegen Helerur«, antwortete er.
Sie nickte. »Er macht mich blind vor Hass.«
»Habe ich deinem Vater zu schnell meine Hilfe gewährt?«, fragte er.
»Viel zu schnell. Du hättest ihm anbieten können, lediglich die Albenpfade zu öffnen. Aber ihm auch dein Schwert in Aussicht zu stellen, das ist zu viel. Soll es so enden wie bei Gaomee? Dass du stirbst und deine Tochter dich nie kennenlernt?« Sie schüttelte den Kopf. »Warum musst du so weit gehen?«
»Um deinen Vater und die Familie zu schützen.« Er streckte seine Hände nach ihr aus, doch sie zog ihre zurück. »Es wird zwischen uns anders sein als zwischen meiner Mutter und meinem Vater«, sagte sie. »Im Krieg ist jeder entbehrlich. Nur ihr Krieger redet euch ein, dass es ohne euch nicht ginge. Warum musst ausgerechnet du den Kopf hinhalten? Ich will unser Glück mit dir gemeinsam genießen, Nuramon! Es ist nicht deine Aufgabe, meinem Vater zu dienen und ihn vor Schaden zu bewahren. Meine Mutter konnte ihn nicht ändern, und du wirst bei dem Versuch umkommen, ihn zu schützen.«
»Vielleicht reicht es aus, dass ich den Kriegern deines Vaters die Albenpfade öffne«, sagte Nuramon. »Vielleicht muss ich nicht in den Kampf ziehen.«
»Und wenn es doch so weit kommt?«, fragte sie.
Nuramon atmete tief durch. »Dann würde ich es tun«, antwortete er mit glänzenden Augen. »Denn wenn ich nicht für deinen Vater in die Schlacht zöge, wie könnte er dies dann von seinen anderen Kriegern verlangen? Wie könnte er ihnen guten Gewissens befehlen, ihre Familien zu verlassen; Familien, die ohne ihr Auskommen vielleicht hungern müssten, während
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