Nuramon
geschrieben. Doch Nuramon wollte Gewissheit haben. »Sag mir eins, Jasgur. Grämt es dich, dass sie ihr Herz an mich verlor?«
»Nicht mehr«, sagte Jasgur. »Nicht nach dem, was wir in Teredyr erlebt haben. Ich habe versucht, dich zu hassen, Nuramon. Aber es wollte mir nicht gelingen. Und das war sehr heilsam.« Er schmunzelte. »Manchmal wiegt Freundschaft schwerer als Liebe.« Der Schwertfürst zögerte und setzte einige Male zum Sprechen an. »Ich hatte nie Daoramus Herz«, sagte er schließlich und wich Nuramons Blick kurz aus. »Aber ich hoffe, dass ich in euch Freunde gefunden habe.«
Nun wusste Nuramon, dass Jasgurs Glückwünsche von Herzen kamen. »Du musst es nicht hoffen. Wir sind Freunde.«
Der Schwertfürst klopfte ihm auf die Schulter. »Wer will uns dann noch etwas anhaben«, sagte er, und Nuramon musste augenblicklich an Helerur denken. Jasgur schüttelte den Kopf. »Morgen ist der 5. Byrrun. Das ist der Jahrestag unserer siegreichen Heimkehr aus Teredyr.«
»Und der Tag, an dessen Ende Daoramu und ich aus Merelbyr flohen«, sagte Nuramon und dachte an jene Nacht, in der Helerurs Meuchelmörder ihnen aufgelauert hatten.
»Borugar hat dir sicher erzählt, was geschehen ist.«
Nuramon nickte.
»Er meinte auch, du würdest nun helfen«, sagte Jasgur, als sie durch das Tor in die Stadt hinaustraten.
»Sobald Borugar mir jemanden zur Seite stellt, der die Landschaft gut kennt, machen wir eine Karte der Albensterne«, erklärte Nuramon.
Jasgur lächelte. »Du ahnst nicht, wie sehr du und Daoramu alles verändern«, sagte er.
Nuramon schwieg. Er wusste, dass seine Macht einen Unterschied darstellte, doch er wollte keinesfalls, dass sich alle darauf verließen. Auf lange Sicht konnte es kein Fürstentum geben, das alleine von seiner Macht abhing.
»Die alte Bescheidenheit, Nuramon«, sagte Jasgur auf sein Schweigen und blieb kurz stehen. »Die meisten Adligen raten nun, da du hier bist, zur Zurückhaltung. Sie glauben, dass sie sich jetzt, da du da bist, nicht mehr verausgaben müssen. Gestern wollten sie noch, dass wir uns in eine Schlacht stürzen, die kaum zu gewinnen ist.«
Jasgur kam wieder an seine Seite, schaute sich kurz um und sagte leise: »Ich habe eben mit Daoramu gesprochen. Sie hat recht: Viele der Grafen und Herzöge haben Borugar mit der Absicht auf den Thron gehoben, dem König von Varmul ein Opfer darzubringen. Und nun fürchten sie, dass wir siegreich sein könnten und Borugar auf dem Thron verweilt. Ich habe jedenfalls alles getan, um die Varmulier von den Pässen fernzuhalten. Ich bin bis zur Verzweiflung gegangen und sah kein rettendes Ufer für unsere Sache. Aber mit Daoramus Rat und deiner Macht werden wir uns behaupten. Und ich sage: Holen wir uns den Osten zurück. Tun wir einfach das, was wir gestern noch geplant hatten.«
Sie nickten den Torwachen am Ausgang der Oberstadt zu und folgten der Straße in die Tiefe. Jasgur erzählte von den Adligen und wie sehr er um Borugars Wohl besorgt war. »Er hört nicht auf mich. Lege ich ihm einen Schlachtplan vor, ist dieser für ihn Gesetz. Zweifle ich aber an den Absichten dieses oder jenes Adligen, will er es nicht hören.«
Nuramon nickte. »Helerur.«
»Daoramu scheint ihn plötzlich mit völlig anderen Augen zu sehen«, sagte Jasgur. »Ist es, weil er vor einem Jahr als Fürst Yarros Bote kam und euch Steine in den Weg legen musste?«
Nuramon wich seinem Blick aus. »Ich kann dir nicht mehr dazu sagen als Daoramu«, sagte er.
Jasgurs Blick fuhr ins Leere. »Warte mal!«, flüsterte er dann. Er blieb stehen und starrte Nuramon fassungslos an. »Jene Nacht, als ihr abgereist seid. Die Bauern berichteten, dass auf der Straße gekämpft wurde. Ich habe sofort vermutet, dass ihr Räubern begegnet seid und ihnen eine Lehre erteilt habt.«
»So könnte man es nennen«, sagte Nuramon und starrte den Schwertfürsten an.
»Waren es … Helerurs Männer?«, fragte Jasgur leise.
»Und wenn es so wäre?«, erwiderte Nuramon. »Was würde es nüt zen? Würde Borugar es glauben? Würde es ihm helfen oder ihm schaden?«
Jasgur atmete stoßartig aus und schüttelte den Kopf. »Verdammt!«, rief er und zog die Blicke eines passierenden Paares auf sich. Als es vorüber war, kam er ganz nah an Nuramon heran. »Borugar vertraut ihm blind«, sagte er.
»Daoramu meint, Borugar würde die Wahrheit nicht verkraften. Er würde toben und dadurch das Fürstentum spalten.«
»Er darf es nie erfahren«, sagte Jasgur und ballte die Faust.
Weitere Kostenlose Bücher