Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone
Blick, vor dem sich Scapa schon so oft erschreckt hatte. Aber er sagte nichts und auch Arane schwieg. Die Stille dieses Wintertages, der vorgetäuschte Frieden waren zu vollkommen.
Zögernd blieb Nill stehen. In der einen Hand hielt sie den Steindorn, mit der anderen zog sie ihr Kurzschwert.
Vor ihnen lag ein verlassenes Schlachtfeld. Weiß-
rote Fahnen und schlichte Banner der Freien Elfen ragten schräg aus den Trümmern und flatterten zerfetzt im Wind. Rauchsäulen stiegen hier und da aus der Erde, Feuer brannten, wo flammende Pfeile eingeschlagen hatten.
Nill sah ein letztes Mal in die dunklen Augen des Hirsches. Sie dankte ihm stumm und neigte leicht den Kopf, so wie die Elfen es taten. »Ab jetzt komme ich allein zurecht. Ich stehe in deiner Schuld.«
Der Hirsch schien zu verstehen. Er schnaubte, sein Atem wölkte Nill entgegen, und in einer anmutigen Geste warf er das Geweih in die Höhe. Dann wandte sich Nill dem Schlachtfeld zu.
Tote übersäten den Boden. Nills Atem ging flach, als sie an der Zerstörung vorbeiging. Ihre Füße setzten knirschend auf dem gefrorenen Boden auf. Heu-lend strich der Wind über das Feld. Der zerfetzte Mantel eines toten Elfs flatterte auf.
Nill tauchte in den Wald ein. Augenblicklich wurde das kalte Tageslicht gedämpft, unruhige Schatten wogten über sie hinweg. Der Steindorn in ihrer Hand verströmte eine pulsierende Wärme. Rings um Nill, aus den uralten Baumstämmen, pochten flüsternde Stimmen … Sie zogen Nill vorwärts, weiter, weiter voran, und ihre Füße bewegten sich wie von selbst.
Später hätte Nill nicht mehr sagen können, wie lange sie durch die Wälder schritt. Es war, als schwebe sie dahin, und kein Geräusch erreichte sie mehr.
Nur einmal drang ferner Schlachtlärm zu ihr heran. Sie änderte abrupt ihre Richtung und die Stimmen des Waldes zogen sie an unsichtbaren Strängen weiter. Vor ihr erschienen finstere Tannen. Die Zweige rauschten im Wind wie Fächer. Nills Herz schlug schneller. In ihrer Hand glühte der Steindorn. Er hatte sich vorne zugespitzt wie ein scharfer Reißzahn.
Scapa sah sie zuerst. Der Schreck zog ihm die Muskeln zusammen, er stand auf und stellte sich neben Arane.
Über der Lichtung war eine Gestalt erschienen. Ih-re Haare flatterten im Wind. Sie hielt ein Kurzschwert in der einen Hand und in der anderen den Steindorn.
»Wen haben wir denn da?«, sagte Arane. Augenblicklich trat sie hinter Scapa und spähte an seiner Schulter vorbei auf Nill.
Mit langsamen Schritten kam sie näher. Zehn Meter trennten sie von einander.
Scapa spürte, wie Arane hinter ihm schneller atmete. Er zog nach kurzem Zögern seinen Dolch hervor.
Nill blieb stehen. Ihr Gesicht war reglos.
»Na so was, der kleine Elfenbastard!«, zischte Arane. Als Nill sie vorsichtig umrundete, ging auch Arane um Scapa herum, damit Nill ihr nie direkt gegenüberstand. »Du bist wirklich hartnäckiger als Un-kraut.«
Nill schluckte. Kaum merklich hob sie das magische Messer. Sie starrte nur Arane an, nicht Scapa.
Ihn konnte sie nicht ansehen.
»Ich warne dich, verschwinde!« Aranes Stimme hallte durch die klare Luft. »Sonst lasse ich dich tö-
ten, hörst du?«
Nills Wimpern flatterten. »Du bist ja noch fast ein Kind.«
»Und was bist du, dreckige Elfenbrut?«, höhnte die Königin.
»Ich«, sagte Nill langsam, »bin die Trägerin des magischen Messers.« Und sie hob es hoch und richtete es auf das Weiße Kind.
Aranes Finger gruben sich fest in Scapas Schultern.
»Ich werde dich umbringen«, hauchte Nill. Das Kurzschwert glitt ihr aus den Fingern, es fiel dumpf in den Schnee. Mit stockenden Schritten kam sie auf Arane zu.
»Tu was!«, keuchte sie Scapa ins Ohr. »Töte sie!
Töte die Elfe!«
Arane stolperte zurück und starrte Nill an; dann griffen ihre Hände nach der schwarzen Krone. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Qual, als sie Elrysjar vom Kopf hob.
Fassungslos blieb Nill stehen. In zwei Schritten war Arane wieder bei Scapa. Plötzlich spürte er, wie das Gewicht der Krone auf seinen Kopf drückte: Arane hatte ihm Elrysjar aufgesetzt.
Entsetzen lähmte ihn. Vor seinen Augen drehte sich alles, dann wurde es schwarz. Etwas sickerte durch seinen Kopf, zäh und schwer. Es kroch ihm durch den ganzen Körper, füllte seine Brust mit so stechender Kälte, dass ihm die Luft wegblieb.
»Na, was tust du jetzt?«, rief Arane Nill triumphie-rend zu. »Du liebst ihn doch, oder nicht? Ha! Wie erbärmlich!«
Lauernd schlich Arane um Scapa herum. Er stand
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