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Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone

Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone

Titel: Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: das Erbe der Elfenkrone Nijura
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Zeit ist der größte Zauber, den es gibt. Sie heilt und lindert alles, und was unheilbar scheint, nun, das verblasst dennoch mit der Zeit. Alles, was sie je von Liebe, von Hass, von jedem noch so mächtigen Krieg hinterlässt, ist nichts als eine Erinnerung. Erinnerungen sind das Erbe aller Dinge des Lebens, mögen sie noch so gigantisch gewesen sein.« Er schloss die Augen und lächelte friedlich. »Solange ich weiß, dass eine Erinnerung an unsere Zeit bleibt, existieren wir ewig. Ganz gleich, wie das Schicksal unseres Volkes auch aussehen mag.«
    Kaveh blieb stehen. Als Lorgios sich ihm zuwandte und seinen unzufriedenen Gesichtsausdruck sah, glaubte er einen Moment lang, sich selbst als Jungen zu sehen.
    »Wir existieren ewig, Vater?«, wiederholte Kaveh ungläubig. Dann drehte er sich um und kniete kurz
entschlossen nieder. Er hob einen Haufen Erde vom Boden und drückte ihn in die Hand seines Vaters.
    »Fühlst du diese Erde? Fühlst du meine Hand? Das ist existieren ! . Wenn man uns vergisst und unser Volk zerfällt, wie du es vorausgesagt hast, dann sind wir verloren in der Finsternis der Vergangenheit. In keinem Gedanken und keiner Erinnerung, selbst wenn sie länger besteht als unser Volk, kannst du fühlen, was jetzt gegenwärtig ist!«
    Lorgios lächelte zum Erstaunen des jungen Prinzen, schüttelte sich die Erde aus den Fingern und schloss dann beide Hände um das Gesicht seines Sohnes. Verwirrt zog Kaveh die Augenbrauen zusammen.
    »Du bist jung, Kaveh! Wenn du das Leben gelebt hast, wenn du diese Erde oft genug in den Händen gehalten hast, dann wirst du verstehen. Bis dahin«, er lachte, »fühle jedes Gefühl dieser Welt und lass einen alten Mann in seinen Erinnerungen schwelgen.«
    Und Lorgios drehte Kaveh sanft in die andere Richtung um. Einen Augenblick sah Kaveh nichts als die hohen Bäume. Doch dann erkannte er, was der König ihm zeigen wollte: Nicht weit entfernt ging Nill durch das Unterholz, ohne sie bemerkt zu haben.
    Sie schien auf dem Weg zum See zu sein.
    Lächelnd und nicht besonders zärtlich wischte Lorgios seinem Sohn die Erde aus dem Gesicht.

    Die Bäume trugen wieder ein leuchtend grünes Blät-terkleid. Hier und da blitzte noch ein kahler Ast aus
dem erwachenden Leben; sonst war von den Spuren des Winters nichts geblieben.
    Die Zeit war verstrichen. Und doch, als Nill den See erreichte und am seichten Ufer stehen blieb, hatte sie das Gefühl, nur ein Tag sei seit der Bestattung vergangen … seit den Tagen in Korr, seit sie aufgebrochen war, um einem König das Messer zu überbringen, von dem sie noch nie zuvor gehört hatte. Sie seufzte beim Anblick des dunklen Wassers und fragte sich, ob sie je wirklich die Ereignisse hinter sich lassen konnte.
    Hinter ihr knackte ein Ast. Als sie sich umdrehte, tauchte Kaveh aus den Schatten der Bäume auf.
    »Hallo. Wie geht es dir?« Angesichts ihres blassen Gesichts wandte er den Blick rasch zum Himmel.
    »Was für ein schönes Wetter! Endlich ist es Frühling, nicht wahr? Und im Sommer können wir hier im See schwimmen!« Kaveh schluckte, als ihm bewusst wurde, dass er etwas sehr Falsches gesagt hatte.
    Mit einem Zucken um die Mundwinkel wandte sich Nill dem See zu. Ein lauer Wind strich ihr entgegen, und obwohl es nicht kalt war, zog sie die Schultern hoch und verschränkte fröstelnd die Arme.
    Kaveh trat neben sie. Eine Weile haderte er mit sich selbst, dann fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen und murmelte: »Ach Nijú! Weißt du, ich glaube alle Wunden heilen. Irgendwie beginnt man, mit allem zu leben, und jeder Verlust und jeder Schmerz wird irgendwann erträglich … Außerdem«,
fügte er leise hinzu, »wachsen auch die kürzesten Haare wieder nach.«
    Nill lächelte matt. »Nein«, sagte sie gefasst. »Bei mir ist es verloren. Für immer.«
    Kaveh erwiderte lange Zeit nichts. Er war nicht sicher, was sie mit »es« meinte, doch er hatte eine Vorstellung. Schließlich brachen die Worte aus ihm hervor: »Vielleicht stimmt das nicht! Wenn alles auf der Welt immer wiederkehrt, wenn der Regen aus dem Boden steigt und wieder aus den Wolken fällt, wenn die toten Pflanzen zu Erde werden und die Er-de wieder zu neuen Pflanzen und wir einatmen und wieder ausatmen, dann – dann müssen auch unsere Gefühle und Gedanken, ja alles, was wir je empfin-den und erträumen und glauben, immer wiederkehren! Dann sind auch Glück und Liebe und Traurigkeit und Freude nur etwas, das beginnt und endet und wieder neu wächst. Nichts in der

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