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Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Titel: Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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sie gerne in ihrer Nähe hatte, doch abseits ihrer Familie waren diese schon immer rar gesät. Dass sie sich nach Saschas Tod noch weiter zurückgezogen hatte und mit kaum jemandem mehr sprach, als ein Mindestmaß an Höflichkeit es gebot, hatte ihren Freundeskreis weiter dezimiert. Joana konnte nicht behaupten, dass es ihr etwas ausmachte, und gerade diese Tatsache verunsicherte sie immer wieder. Es sollte ihr etwas ausmachen. Ihre Gleichgültigkeit kratzte bereits an einer ernsten Depression.
    Vielleicht hatte Sascha viel mehr von ihr mit ins Grab genommen, als sie gedacht hatte. Oder diese Teile von ihr waren einfach nur zu tief in ihrer Seele vergraben. Ironisch, dass gerade sie Psychologie studiert hatte, ehe durch den Mord an ihrem Freund ihr ganzes Leben wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen war.
    Joana schnaubte, schüttelte den Kopf und verbot sich die Melancholie. Ihr Selbstmitleid widerte sie an. Saschas Tod war drei Jahre her. Es war langsam an der Zeit, den Trauerschleier abzulegen und wieder klar zu sehen. Sie musste es wenigstens versuchen.
    Um den guten Vorsatz, den sie schon so oft getroffen hatte, nicht gleich wieder mit einer Ausrede zu umschiffen, griff sie an der nächsten roten Ampel nach ihrem Handy und schickte eine SMS an ihren Kollegen Benedikt, in der sie ihn fragte, ob die Einladung fürs Kino noch galt. Nach dem Senden überlegte sie sich, wie lange es her war, dass Ben sie eingeladen hatte. Ein bis zwei Monate bestimmt. Ein Autofahrer hinter ihr hupte. Joana schüttelte die Gedanken ab und gab Gas.
    Als sie beim Haus ihrer Mutter ankam, stand die Tür schon weit offen. Ein Zeichen, dass Mary in ihrer Küche beschäftigt war und die Speisen ihr selbst einen kurzen Gang zur Tür nicht verzeihen würden. Joana klopfte anstandshalber, wartete aber keine Reaktion ab. In der Küche wunderte sie sich über das bunte afrikanische Gewand und das passende Kopftuch, das ihre Mutter beim Kochen trug. Wenn Mary die traditionelle Kleidung aus der Heimat ihrer Eltern aus dem Schrank holte, konnte das nur bedeuten, dass ihre Schwägerin, Tante Agnes, zu Besuch war. Diese sollte mit möglichst viel afroamerikanischer Kultur provoziert und wieder vertrieben werden.
    Mary hatte Afrika nie betreten. Sie war in New York aufgewachsen, wo sie Joanas Vater bei einer seiner Reisen kennen und lieben gelernt hatte. Die beiden hatten nicht lange gefackelt und wenige Wochen später in den Staaten geheiratet. Sehr zum Missfallen von Joanas Großvater – ihr Vater war prompt enterbt worden.
    „Hi Mama.“ Mit einem inneren Seufzer drückte sie ihrer Mutter einen Kuss auf die Stirn und warf einen kurzen Blick ins Wohnzimmer.
    „Deine Tante ist im Bad“, grummelte Mary, tätschelte ihr zur Begrüßung die Hüfte und schob sie auf die Seite, um sich wieder dem Herd zuzuwenden.
    Joana unterdrückte den Impuls die Augen zu verdrehen und machte sich wortlos daran, den Tisch zu decken. Warum nur war es nicht möglich, dass zwei Frauen, die durch gemeinsame Familie verbunden waren, normal miteinander redeten. Wenn der Kontakt für beide unzumutbar war, warum gingen sie sich dann nicht einfach aus dem Weg? Aber nein, Agnes lud sich immer wieder ein, und Mary biss die Zähne zusammen, lächelte und kochte. Für Agnes; sowie innerlich.
    „Joana! Schätzchen, lass dich drücken!“
    Die Begrüßung ihrer hereineilenden Tante war wie immer überschwänglich, Joana fielen fast die Teller aus der Hand. Nach der stürmischen Umarmung schob Agnes sie ein Stück zurück und der Blick scharfer, grüner Augen glitt musternd an ihr auf und ab. Ein fast schon rituelles Verhalten, das Joana immer wieder einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Im Gegensatz zu ihrer Mutter liebte Joana ihre Tante – aber sie konnte den Umstand nicht ganz von sich weisen, dass diese ihr auch ein wenig unheimlich war. Man konnte Agnes nicht in die Augen sehen, ohne das Gefühl zu verspüren, sein Innerstes zu offenbaren und vielmehr von sich preiszugeben, als man wollte. Die Tatsache, dass Agnes grundsätzlich die falschen Fragen stellte – oder genau die richtigen – tat ihr übriges.
    „Wie geht es dir? Was machen die Träume, Kind?“
    Joana wusste, dass sie Agnes nicht belügen konnte. Zu oft war das schon schiefgegangen. „Wie immer.“
    Agnes’ Fingerspitzen berührten den haselnussgroßen Bernstein, den sie an einer Kette um den Hals trug. In seinem Inneren schimmerte etwas Bräunliches. Schon als Kind hatte Joana sich gefragt, was

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