O diese Rasselbande
freigelassen. Weit blickt man von hier aus ins Land, und die Raubritter, die sich hier oben ihr festes Nest erbauten, beherrschten die Landstraße am Fuße des Berges. Wehe den Kaufleuten, die mit ihren Planwagen dort unten vorbeizogen. Heute sind die alten Zeiten vergessen. Aber auf dem Söller der Burg weht Silkes Fahne im Wind, als wollte sie zeigen, daß neues Leben in die alten Mauern eingekehrt ist, und es sieht aus, als wehe sie lustige Grüße ihrer kleinen Herrin weit ins Land hinaus.
„Da sind wir!“ ruft Silke freudestrahlend und springt aus dem Wagen. Die Jungen verschnaufen sich erst einmal und sehen sich schweigend um.
Silke macht eine weite Bewegung mit dem Arm.
„Das ist die Übungswiese“, erklärt sie, „hier ist die Hürde, die mein Vater mir gebaut hat, und hier übe ich mit Seidenhaar Reiten und Springen. Hier wird geturnt und geschossen. Seht ihr die dicke Eiche dort drüben? Vater sagt, sie sei schon dreihundert Jahre alt. Dort habe ich die Schaukel, Ringe und Reck. Dort ist auch die Scheibe, nach der ich mit meiner Armbrust schieße. Aber kommt nur, erst zeige ich euch den Innenhof.“ Sie ist voll Eifer.
Sie geht ein Stück um die Mauer herum, bis dahin, wo sie eingefallen ist und wo man ungehindert in den Innenhof gelangen kann. Der Hof ist groß und geräumig. Sie betrachten das Stückchen Gemäuer, das noch vom Wohnhaus erhalten ist und stecken die Köpfe in das Kellerloch, von dem Silke behauptet, es muß mal ein Verließ gewesen sein. Es liegt auch ein Stein in der Mitte, von dem Silke sagt, man kann noch Blutflecke daran sehen, wenn man genau hinsieht. Man wird das genau untersuchen, das wäre ja romantisch. Sie sehen an dem Turm in die Höhe und sind gespannt, was nun kommt. Silke steht vor der kleinen Eichentür, die der Vater und sie so schön grün angestrichen haben, und zieht den Schlüssel hervor, den sie immer an einem Kettchen um den Hals hängen hat. Dann schließt sie auf, geht als erste die enge neue Treppe empor und stößt stolz und glücklich die Tür auf zu ihrem kleinen Turmzimmer. Einer nach dem anderen folgt ihr.
Es ist ein bißchen eng für vierundzwanzig Jungen, und darum öffnet sie gleich die andere Tür zum Söller, damit man hinaustreten kann.
So viele Überraschungen auf einmal kann die Rasselbande gar nicht so schnell fassen.
Sie betrachten alles, das große Regal mit Silkes Lieblingsbüchern, das Sofa mit der Felldecke, den kleinen Tisch am Bogenfenster mit dem Schreibzeug und der großen rosa Muschel in der Mitte, die beiden Speere an der Wand, die Armbrust mit einer Menge Pfeile. In der Ecke liegt der Sattel und das Zaumzeug für Seidenhaar. Sie betrachten den ausgestopften Eichelhäher, der mit ausgebreiteten Schwingen über der Söllertür schwebt.
„Geht nur hinaus“, fordert Silke ihre Gäste auf, und alle stehen stumm auf dem Söller und schauen weit hinaus über Berge und Täler. Weit drüben sieht man die Dörfer wie aus einer Spielzeugschachtel liegen, und von hier aus kann man auch sehen, daß der Berg auf dieser Seite ganz steil in eine Schlucht abfällt.
„Das ist wie im Kino“, sagt Fips leise zu Bodo. Der nickt. „Die muß aber einen Vater haben, daß er ihr das alles gemacht hat, Wetter noch eins, daß es sowas gibt“, sagt Bodo ebenso leise zurück.
Helmut bleibt stumm, wie die meisten anderen Jungen auch. Daß die von ihnen so verachtete Langhaarige so ein Leben hat, das muß man erstmal verdauen. Von sowas hat man noch nicht mal geträumt, geschweige denn, man wird jemals sowas besitzen. Es bleibt einem einfach die Spucke weg.
Silke zieht den Sattel hervor.
„Kommt herunter“, ruft sie fröhlich, „wir wollen Seidenhaar satteln. Wer Lust hat, kann reiten.“
Sie eilt wieder hinunter und führt den Wagen in den Innenhof. Dann sattelt sie Seidenhaar.
„Wer will mal?“ ruft sie.
„Erst reitest du mal“, schlägt Bodo vor und Silke schwingt sich in den Sattel. Gleich nimmt sie die Zügel ganz kurz und läßt Seidenhaar ein paar Mal aufsteigen, weil das so schön aussieht. Dabei steht sie leicht vorgebeugt im Sattel. Dann reitet sie einen weiten Bogen um die Wiese, und dann geht es, hui, über die Hürde. Seidenhaar kennt das alles schon zur Genüge, ihm ist das nichts Neues mehr. Noch einmal geht es hinüber und dann noch einmal. Die Jungen sehen ihr staunend zu.
„Lauf schnell hinauf und hol’ die Armbrust runter!“ ruft sie Jule zu, „dann wollen wir mal sehen, wer schießen kann.“ Sie nimmt die Füße
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