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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Rechnung für drei
     Personen den ganzen Bauernhof kaufen könnte, von dem das Gemüse stammt. Sie haben sich auf Speisen spezialisiert, von denen
     ich noch nie gehört habe. Zugegeben, wenn man wie ich aus Alabama stammt, ist man vor allem mit Schwarzaugenbohnen aufgewachsen,
     mit Mais, Okra und Kohl und ab und an ein paar Steckrüben dazwischen. Bei mir kommen zwar mittlerweile immerhin auch Spargel,
     Brokkoli und selbst Artischocken auf den Tisch, und es ist sogar schon bis zu mir durchgedrungen, daß es mehr als eine Sorte
     Kopfsalat gibt. Aber die Speisekarte im Green and White steckt für mich voller Rätsel. Es gab Zeiten, in denen »Pasta« das
     einzige Wort war, das ich erkannte. Die beschwingte Stimmung, in der ich die Schule verlassen hatte, war schon im Big, Bold
     and Beautiful Shop dahingeschwunden. Im Green and White verging mir endgültig die gute Laune.
    |135| Der Besitzer, André, ist ein kleiner, dicklicher Mann, der aussieht, als renne er, sobald er die Tür hinter sich abgeschlossen
     hat, geradewegs zu McDonald’s. Er zieht seine eigenen Kräuter in Hängekörben, die die Fenster füllen. Wenn man nicht daran
     denkt, wieviel jeder Bissen kostet, ist es wirklich ein angenehmer Ort.
    Er erblickte Mary Alice gleich beim Hereinkommen und hätte sie wahrscheinlich auf die Wangen geküßt, wenn er nicht einen Kopf
     kleiner gewesen wäre als sie. Statt dessen breitete er die Arme weit aus und rief: »Mrs.   Crane! Mrs.   Crane!«
    Mary Alice gewährte ihm eine linkische halbe Umarmung und stellte mich daraufhin vor. Ich hatte ihn schon mindestens zehnmal
     gesehen, aber das mußte erst noch in sein Bewußtsein eindringen.
    »Mr.   Perry ist bereits hier«, erklärte André. »Erlauben Sie mir, Ihnen den Weg zu zeigen.«
    Ross Perry saß, gut sichtbar, etwa drei Meter von uns entfernt, aber André zeigte uns den Weg. Ross Perry versuchte aufzuspringen,
     allerdings ohne großen Erfolg, da er und André einen ähnlichen Leibesumfang besaßen. Schwesterherz und ich wußten die gute
     Absicht zu würdigen.
    Sie stellte mich Ross Perry vor, während André danebenstand und sich vergnügt die Hände rieb.
    »Ich habe Sie neulich abend bei der Galerieeröffnung gesehen, Mrs.   Hollowell«, sagte Ross Perry.
    »Nennen Sie mich einfach Patricia Anne.«
    »Wein! Als erstes mal einen Wein!« rief André aus. »Wie wär’s mit einem feinen Chablis?«
    »Ich hätte gern Eistee«, erwiderte ich. Andrés Miene nahm einen bekümmerten Ausdruck an. »Ich bin allergisch gegen Alkohol«,
     erklärte ich. »Ich könnte einen anaphylaktischen Schock bekommen und auf der Stelle, von Krämpfen geschüttelt, sterben.«
    |136| »Ein Chablis wäre wunderbar«, sagte Mary Alice zu André, der einen Schritt von mir weg getan hatte.
    »Warum überrascht es mich eigentlich, in einem vegetarischen Restaurant Wein angeboten zu bekommen?« fragte ich.
    Mary Alice zuckte die Achseln. »Er ist schließlich aus Trauben.«
    »Der Nektar der Götter«, erklärte Ross Perry. Seine rote Nase und die geplatzten Äderchen auf seinen Wangen deuteten darauf
     hin, daß er häufiger von diesem Nektar nippte. Heute trug er einen schwarzen Anzug mit weißen Streifen, wie ihn einst Frank
     Sinatra in ›Schwere Jungs – leichte Mädchen‹ angehabt hatte. Nur, daß das hier keine unterhaltsame Gaunerkomödie und Ross
     Perry vermutlich kein Spielertyp war. Die Kräuterkörbe, die schräg gegenüber von uns hingen, warfen einen Schatten auf seine
     Glatze, der haargenau wie Gorbatschows Muttermal aussah, einschließlich des Tropfens.
    André kam mit dem Wein und dem Tee zurück und verkündete, auf der Tageskarte heute stünde Engelshaar-Pasta mit einer köstlichen
     Tofu-Cubonelle-Sauce, bestreut mit sonnengetrockneten Tomaten, außerdem...
    »Das nehme ich«, unterbrach ich ihn, hatte ich doch immerhin zwei der drei Ingredienzien erkannt.
    André schob seine Bifokalbrille nach unten und blitzte mich über den Brillenrand an. Ich schob ebenfalls meine Bifokalbrille
     nach unten und blitzte zurück. Zwischen uns pulsierte die Musik aus ›High Noon‹.
    »Oder Sie krönen meinen Tag mit einem T-Bone -Steak«, sagte ich.
    Mary Alice versetzte mir einen Tritt. »Was sind die anderen Tagesspezialitäten, André?« fragte sie honigsüß.
    Er faßte sich an die Brust, während er sie aufzählte. Mary Alice und Ross Perry kamen überein, es klinge alles so wundervoll,
     daß André für sie wählen solle. Ziemlich gewieft.
    |137| »Was ist

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