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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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denn in dich gefahren?« erregte sich Mary Alice, als André davonwackelte.
    »Meine Güte, er spielt sich auf wie Graf Koks. Was ist denn so verwerflich an Eistee und dicken Bohnen?«
    »Wer hat denn was von dicken Bohnen gesagt?«
    »Niemand. Das ist es ja.«
    »Du hättest gern dicke Bohnen?«
    »Was ist an denen so verkehrt?«
    »Meine Damen« – Ross Perry hob sein Weinglas – »ich bin hocherfreut, daß Sie beide heute mittag mit mir essen.«
    »Ja, ich habe meine Schwester ganz zufällig getroffen, und sie wollte so gern mitkommen.« Mary Alice schenkte ihm ein Lächeln,
     während sie neuerlich nach mir trat.
    »Ja, genau«, pflichtete ich ihr lächelnd bei. Der Tritt war kilometerweit danebengegangen. Wir stießen an und tauschten Liebenswürdigkeiten
     aus.
    Noch bevor das Essen kam, waren wir jedoch mit unserer Unterhaltung bei Mercys Tod und Claires Verschwinden angelangt. Ross
     wußte von dem DMSO, das man benutzt hatte, um Mercy zu töten. »Perfide!« rief er. Er hatte allerdings nicht gewußt, daß Claire
     zu mir gekommen war und ich sie später zum Krankenhaus begleitet hatte. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte.
    Er schüttelte den Kopf. »Claire ist so ein liebes Ding. So zerbrechlich. Ich fand immer, sie wirkt wie die Herrin vom See,
     aus der Artussage.«
    Das hielt ich für einen ziemlich treffenden Vergleich.
    Eine hübsche blonde Kellnerin brachte unser Essen zusammen mit einem schmalen knusprigen Laib Brot, der frisch aus dem Ofen
     kam und noch dampfte.
    »Sieht mindestens so gut aus wie dicke Bohnen«, bemerkte Schwesterherz.
    Wir konzentrierten uns eine Weile auf das Essen. Was auch immer es war, es war köstlich.
    |138| »Ich war gestern abend Liliane Bedsole besuchen«, sagte Ross dann und griff nach dem Brot. »Möchte noch jemand mehr davon?«
     fragte er. Schwesterherz und ich schüttelten den Kopf. »Jedenfalls« – er nahm sich ein großes Stück und bestrich es mit Butter
     – »ist sie in ziemlich schlechter Verfassung; verständlich, wenn man bedenkt, daß gerade ihre Nichte ermordet wurde und ihre
     Pflegetochter verschwunden ist.«
    »War Betty Bedsole auch da?« fragte Schwesterherz.
    »Nein. Sie hat sich in einer Suite im Tutwiler eingemietet. Bei ihr war ich auch. Sie ist vollkommen niedergeschmettert.«
    Mary Alice und ich blickten einander an. O Gott. Ein Kind zu verlieren. Wir legten beide unsere Gabeln nieder.
    »Was ist mit ihrem Mann? Mercys Vater?« fragte ich.
    »Erlitt in Mexiko einen Schlaganfall, wenn ich es richtig verstanden habe. Er ist über achtzig, und offenkundig hat ihm das
     den Rest gegeben. Und der Sohn ist gerade in China und dreht einen Film.«
    »Ist irgend jemand bei ihr?« fragte Mary Alice. Der Gedanke an eine um ihr Kind trauernde Mutter, die allein in einem Hotelzimmer
     saß, beunruhigte sie und mich gleichermaßen.
    »Ihre Sekretärin und ihre Begleiterin.« Ross Perry nahm einen großen Bissen von dem gebutterten Brot, das einen Fettrand um
     seinen Mund hinterließ. »Die Begleiterin ist in Wirklichkeit eine Krankenschwester, wissen Sie. Betty kommt frisch aus der
     Betty-Ford-Klinik.«
    Na, das wurde ja immer besser. Das war doch diese Entzugsklinik der Reichen und Schönen. »Leicht gestört, diese Familie, scheint
     mir.« Ich zog meinen Fuß schnell beiseite, bevor Mary Alice dagegentreten konnte.
    Ross Perry wischte sich den Mund mit Andrés übergroßer Serviette. »Ja, es ist traurig«, pflichtete er mir bei. Aber in seinen
     Augen lag ein Schimmer, der seine Worte Lügen strafte. Mir fiel wieder Mary Alices Geschichte über die Cola-Dose |139| ein, die Mercy nach ihm geworfen hatte. Diese Tat wurde mir mit jedem Moment verständlicher.
    Ross schob seinen Stuhl zurück. »Wenn die Damen mich eine Minute entschuldigen würden. Ich muß eben mal telefonieren.«
    »Was für ein Lackaffe«, sagte ich und blickte ihm hinterher, als er davonwatschelte.
    »Wenn du nicht so alt wärst, würde ich schwören, das ist PMS«, sagte Mary Alice.
    »Wir hatten letzte Nacht Besuch von einem Spanner. Ich bin noch immer ganz außer mir.«
    »Was ist denn passiert?«
    Ich erzählte ihr von den Fußspuren und dem bellenden Woofer.
    »Vielleicht war es nur irgendein Gör, das sich im Schnee draußen vergnügt hat.«
    »Ich hoffe es.« Ich beobachtete, wie sich Ross Perry an die Wand lehnte, während er ins Telefon sprach. Er führte eine angeregte
     Unterhaltung. An einer Stelle zog er sein Taschentuch hervor und wischte sich über Stirn und

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