O du Mörderische
Speziell am Frühstückstisch.
»Danke.« Bo Mitchell trank ihren Kaffee aus und stand auf. »Ich nehme das zu den Akten. Um die Wahrheit zu sagen, erwarte
ich nicht, daß irgend etwas dabei herauskommt. Aber ich würde mir an Ihrer Stelle keine Sorgen machen. Schließen Sie die Tür
ab, und lassen Sie die Rolläden runter. Das Übliche eben. Ich denke, es war nur irgendein Spanner aus der Nachbarschaft, und
Sie hätten es gar nicht mitbekommen, wenn es nicht gestern geschneit hätte. Ich werde mal überprüfen, ob noch weitere Beschwerden
vorliegen.«
»
Nur
ein Spanner?« Die Vorstellung, daß jemand uns beobachtete, entsetzte mich.
»Ich bring’ Sie zur Tür«, sagte Fred.
Ich nahm den leeren Kaffeebecher entgegen, den Bo Mitchell mir hinstreckte. »Vielleicht war es ja Claire Moon?« sagte ich.
»Nein, Claire war es nicht.« Eine Sekunde lang blitzte Beunruhigung in ihrer Miene auf.
»Sie denken, sie ist tot, stimmt’s?«
»Sie wird wieder auftauchen«, erklärte Bo Mitchell und folgte Fred durch den Flur.
Aber in welchem Zustand? fragte ich mich und stellte das Geschirr in die Spülmaschine.
|130| Es war der Morgen, an dem ich an der örtlichen Highschool Förderunterricht gab. Hauptsächlich Mathematik. Als sie mich angerufen
hatten, war ich zunächst zögerlich gewesen. Englisch, okay. Aber Mathe? Ich gestand, daß ich auf der Schule Mathematik gehaßt
hatte wie die Pest und auch jetzt meine Finanzen schlecht im Griff hatte. Aber ich wisse doch mit Sicherheit mehr als diese
Schulversager, hatte der Mann am Telefon um mich geworben. Und abgesehen davon sei ich es schließlich gewöhnt, mit Schülern
umzugehen.
Ich glaube, er hatte mich mit dem Wort »Schulversager« geködert. Ich erklärte mich bereit, es zu probieren, und es stellte
sich als wundervolle Erfahrung heraus. Da ich keine Mathematiklehrerin gewesen war, stand mir kein Fachvokabular im Weg. Negative
Zahlen sind die unten im Keller, und Brüche stellt man auf den Kopf, wenn man durch sie dividieren will, und nimmt dann damit
mal. Die Kids und ich kamen gut miteinander klar.
An diesem Morgen würden wir uns zum letzten Mal vor Weihnachten sehen, weshalb ich für jedes der Kinder ein paar Früchteplätzchen
einpackte und einen phänomenalen Taschenrechner, den ich bei Radio Shack entdeckt hatte und der etwa so groß war wie eine
Kreditkarte.
»Untergräbt das nicht deine Ziele?« fragte Fred, als ich ihm das Ding zeigte.
»Es ist, wie man so schön sagt, ein ›Mittel zum Zweck‹.« Ich fühlte mich in keiner Weise schuldig.
Sämtliche Pinnwände hatten eine Weihnachtsdekoration erhalten. Eine ungewöhnlich ausgestaltete zeigte einen Weihnachtsmann,
der unter einem Licht, das nur der Stern von Bethlehem sein konnte, mit seinem Rentier in einem schrägen Winkel durch den
Himmel raste und »Schönes Chanukka-Fest« brüllte. Eine in die Ecke geheftete Karte besagte, daß diese Wand von der Klasse
von Ms. Felix gestaltet worden war und sie damit den zweiten Preis errungen hatte. Ich notierte |131| mir in Gedanken, daß ich mir vor dem Gehen das Werk des ersten Preisträgers ansehen wollte.
Die Kinder freuten sich über ihre Plätzchen und Taschenrechner. Sie hatten jede Menge Pläne für die Ferien, Pläne, die hauptsächlich
Fernsehen, Nintendo-Spielen und Schlafen beinhalteten.
»Mensch, da draußen existiert eine ganze Welt«, erinnerte ich Stevie Grayton, einen aufgeweckten Dreizehnjährigen mit rauher
Fassade.
»Sie haben recht, Mrs. Hollowell«, pflichtete er mir bei. »Ich verspreche Ihnen, ab und zu den Discovery Channel einzuschalten.«
Auf der Gewinner-Pinnwand war eine traditionelle Krippenszene zu sehen, recht hübsch, aber mit dem verrückten Charme des jüdischen
Weihnachtsmannes konnte sie nicht mithalten.
Ich war in euphorischer Stimmung, als ich die Schule verließ, und beschloß, Mary Alices Jacke im Big, Bold and Beautiful Shop
abzuholen. Es war allmählich an der Zeit, mit den Weihnachtsvorbereitungen Ernst zu machen.
Bonnie Blue war mit einer Kundin beschäftigt, als ich hereinkam, weshalb ich herumging und mich ein bißchen umsah. Die Accessoires
waren besonders hübsch. Ich hielt mir ein Paar dicker, sonnenblumenartiger goldener Ohrringe an und prüfte im Spiegel, wie
sie aussahen.
»Zu groß«, sagte Schwesterherz.
»Ich hab’ sie mir ja nur mal angeschaut.« Ich drehte mich um und sah sie unmittelbar hinter mir stehen. »Was machst du überhaupt
hier? Hast
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