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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Stirnhöhlenentzündung letztes Frühjahr.«
    »Dann schmeißen wir sie weg.« Sie warf sie in den Abfalleimer. »Sie sollten sich einen Rucksack besorgen, Mrs.   Hollowell. Schauen Sie mal!« Sie drehte sich um, so daß ich das braune Leder sehen konnte, das ihren ganzen Rücken zu bedecken
     schien.
    »Ich hab’ ja nicht so viel zu tragen«, erwiderte ich. Ich nahm die Sachen entgegen, die sie aufgesammelt hatten, und stopfte
     sie in meine Tasche zurück. »Vielen Dank. Sie haben mich ganz schön erschreckt, wissen Sie.«
    »Entschuldigung«, sagten sie unisono.
    »Du hättest nicht einfach so reinplatzen dürfen, Glynnie«, sagte Lynn.
    »Das war deine Schuld, Lynnie.«
    Sie standen rechts und links von mir und sprachen in den |143| Spiegel hinein. Es war eine etwas surreale Erfahrung, auf diese Weise zwischen eineiigen Zwillingen eingeklemmt zu sein.
    Lynn stellte Blickkontakt im Spiegel mit mir her. »Wir kennen Sie von der Alexander High School. Wußten gleich, wer Sie sind.
     Wir sind nur ein Jahr dorthin gegangen und haben nicht wie Claire den Leistungskurs Englisch gewählt.«
    »Sie ist klüger als wir«, sagte Glynn. Ich sah die hübschen jungen Frauen an, die da neben mir standen. Ihr glänzendes schwarzes
     Haar war in der gleichen Weise geschnitten wie das von Claire, mit dichtem Pony und vorn länger, so daß das Haar ihre Wangen
     berührte und die Wangenknochen betonte. Sie hatten einen blassen Teint. Ihre Augen waren von einem verblüffenden Blau, das
     durch die hellblauen Pullover, die sie beide über ihren Jeans trugen, noch hervorgehoben wurde.
    »Aber sie ist nicht hübscher«, erwiderte ich.
    Die beiden lachten. »Wir arbeiten härter daran«, sagte Glynn.
    »Nämlich jeden Tag«, bestätigte Lynn.
    »Haben Sie irgendeine Ahnung, wo sie steckt?« fragte ich.
    »Nein, nicht die geringste.«
    »Sie wird schon wieder auftauchen.«
    Das hatte Bo Peep Mitchell auch gesagt. Entweder sie wußten etwas, was ich nicht wußte, oder sie waren völlig gleichgültig,
     was Claires Verschwinden betraf. Ich blickte von einer zur andern. »Sind Sie mir hierhergefolgt, um mir etwas mitzuteilen?«
    »Wir wollten nur hallo sagen«, erklärte Glynn.
    »Genau«, sagte Lynn.
    Doch so einfach ließ ich mich nicht abspeisen. »Wie kommt es, daß ich Sie nicht im Restaurant gesehen habe?«
    »Wir haben uns vor Ross Perry versteckt«, sagte Glynn.
    »In einer Nische. Hinter einem dicken Korb mit Basilikum. Wir hassen ihn.«
    Ich nickte. Das war verständlich. »Sind Sie wegen Mercys Beerdigung hier?«
    |144| Lynn drehte sich zu Glynn um. »Die Beerdigung. Natürlich. Wir sollten zu der Beerdigung gehen. Findest du nicht?«
    »Wer hält die Grabrede?« fragte Glynn.
    Ich machte meine Tasche zu und entfernte mich aus ihrer Mitte. Sie rutschten zusammen, drehten sich um und blickten mich an.
     Ich habe Studien über eineiige Zwillinge gelesen und hatte sogar welche in meiner Klasse, aber sie versetzen mich immer wieder
     von neuem in Erstaunen. Ich stand hier einer Einheit gegenüber.
    »Danke, daß Sie sich um Claire gekümmert haben«, sagte Glynn, oder war es Lynn? Seit sie sich vom Spiegel weggedreht hatten,
     war ich durcheinander.
    Ich nickte. »Ich wollte, ich hätte mehr tun können.«
    Glynn drehte sich zu ihrer Schwester um. »Claire würde nicht wollen, daß Mrs.   Hollowell sich Sorgen macht, oder Lynnie?«
    »Mit Sicherheit nicht, Glynnie.«
    »Sie wissen, wo sie ist, stimmt’s?«
    »Haben wir das gesagt, Glynnie?«
    »Natürlich nicht, Lynnie. Dreh dich mal um.« Glynn griff in Lynns Rucksack und nahm einen Kamm und einen Lippenstift heraus.
    »Danke«, sagte ich.
    »Wofür?« Lynn griff nach unten und holte die beiden Antibiotika-Kapseln aus dem Abfallkorb. »Hier. Tun Sie uns einen Gefallen
     und schieben Sie das doch bitte Ross Perry in den Rachen.«
    »Oder in sonst eine Körperöffnung«, sagte Glynn.
    Sie lachten beide, als ich die Toilette verließ. Ich hatte die Botschaft richtig verstanden. Claire ging es gut, und ihre
     Schwestern wußten, wo sie war. Andererseits, was hatten sie wirklich gesagt? Daß ich mir keine Sorgen machen sollte. Daß Claire
     nicht wollen würde, daß ich mir Sorgen machte. Da war viel Raum für Mißverständnisse.
    |145| Mary Alice und Ross Perry stritten halbherzig darüber, wer die Rechnung bezahlen dürfe, als ich auftauchte.
    »Du hast mich eingeladen«, erinnerte ich Mary Alice. Ich wollte keineswegs in diesen Streit mit hineingezogen werden.
    »Dann übernehme

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