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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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liegt ein paar
     Meilen hinter dem Kreuzgarten.«
    »Was ist ein Kreuzgarten?«
    »Das habe ich auch gefragt. Sie sagte, wir würden ihn erkennen.«
    Das taten wir auch. Wir kamen an einem Haus vorbei, das von Hunderten Kreuzen jeglicher Größe umgeben war. Manche waren aus
     Holz, manche aus Metall, manche schlicht, manche mit Farbe oder mit bunten Glasstücken verziert. Es gab so viele davon, daß
     sie sich bis in das angrenzende Feld zogen.
    »Ein Kreuzgarten«, sagte Mary Alice. »Ist das nicht großartig?«
    |180| Ich nickte und dachte an das, was Frances über unsere Begeisterung für exzentrische Dinge gesagt hatte.
    »Gleich hier in der Nähe muß die Stelle sein, an der Ross Perry umgebracht wurde«, erklärte Mary Alice nach ein paar Minuten.
     »Wahrscheinlich können wir sehen, wo er von der Straße abkam.«
    »Das will ich gar nicht«, erwiderte ich. Wir waren an einem stark bewaldeten Stück Straße angekommen. Unten an einem Uferdamm
     konnte ich den schnell dahinfließenden Kelly Creek durch die Bäume hindurch glitzern sehen.
    Wir taten es aber dennoch. Man konnte die Spuren nicht übersehen, die zurückgeblieben waren. Autos, Abschleppwagen und Ambulanzen
     hatten die jungen Bäume zu Boden gedrückt und tiefe Schneisen in der Böschung hinterlassen.
    Mary Alice fuhr langsamer und sah sich den Ort des Geschehens an.
    »Um Himmels willen«, rief ich und duckte mich. »Da sind womöglich noch mehr verrückte Jäger unterwegs.«
    »Ich glaube, er wurde erschossen«, sagte Mary Alice.
    »Ich
weiß
, daß er erschossen wurde, Schwesterherz. Was ist denn bloß los mit dir? Genau das tun Jäger doch. Schießen.«
    »Ich meine, ich glaube, jemand hat ihn absichtlich erschossen.«
    »Das ist sehr gut möglich. Aber laß uns jetzt zum Teufel noch mal zusehen, daß wir hier wegkommen!«
    Mary Alice trat aufs Gas. »Was hat Ross gestern zu Mittag gegessen, Maus?«
    »Was weiß ich. Irgendeine Art von unidentifizierbarem Gemüse. Warum?«
    »Die letzte Mahlzeit eines Menschen ist immer von Bedeutung. Meinst du nicht?«
    Ich warf ihr einen scharfen Blick zu. »Worauf willst du hinaus?«
    »Ich habe nur so nachgedacht. Ob es wohl die Mahlzeit |181| war, die Ross sich ausgesucht hätte, wenn er gewußt hätte, daß es seine letzte sein würde?«
    Ich rieb meine Stirn, die leicht zu schmerzen begann. »Er schien sie zu genießen«, sagte ich. »Hat eine Menge Wein getrunken.«
    »Was würdest du als deine letzte Mahlzeit wählen, Patricia Anne? Ich habe in ›Cosmopolitan‹ oder irgendwo gelesen, daß das
     eine gute psychologische Testfrage ist.«
    »Ich bezweifle, daß das in ›Cosmo‹ war, und der Gedanke an den Tod verdirbt mir den Appetit.« Zum Glück erspähten wir just
     in diesem Moment das Schild, das mit einem Pfeil nach links den Weg zur Indian-Trails-Tierklinik anzeigte. Mary Alice bog
     auf eine Schotterstraße ein, die eine halbe Meile über ein flaches Feld auf ein Haus zuführte. Die Umgebung erinnerte mich
     an ›Dallas‹ und das Texas der Southfork Ranch. Das war allerdings auch schon die einzige Ähnlichkeit. Das zweistöckige blaßrosa
     Haus hatte die Säulen, die Mary Alice sich stets erträumt hatte, und kein Baum verstellte die Sicht.
    »Jetzt links«, sagte ich. Mary Alice war so in Bewunderung des Hauses versunken, daß sie das kleine Schild mit der simplen
     Aufschrift »KLINIK« nicht gesehen hatte, auf dem ein Pfeil eine weitere Schotterstraße hinabzeigte. Sie machte eine Vollbremsung
     und setzte ein Stück zurück.
    Die Klinik war ein großes Gebäude mit angrenzenden Pferdeställen. Hinter dem Parkplatz war ein kleines Stück Rasen und ein
     Gehweg, auf dem ein Schild die »INDIAN-TRAILS-PFERDEKLINIK« ankündigte.
    »Bubba ist in einer Pferdeklinik!« rief ich aus.
    Mary Alice stieg aus dem Auto. »Tierarzt ist Tierarzt, Maus.«
    »Das ist ja, als sagte man ›Doktor ist Doktor‹.«
    »Ist doch auch so.« Sie marschierte auf die Tür zu. »Kommst du?«
    |182| Ich stieg aus und folgte ihr in ein leeres Wartezimmer. »Keiner da«, stellte ich fest.
    »Sie müssen da sein.« Mary Alice öffnete die Tür, die vermutlich zu den Untersuchungsräumen führte. »Dr.   Butler? James?« rief sie.
    Die Eingangstür hinter uns ging auf, und James Butler kam mit Bubba im Transportkorb hereinspaziert. »Wie sind Sie denn vor
     mir hierhergekommen?« fragte er.
    »Sie müssen irgendwo unterwegs gehalten haben«, erwiderte Mary Alice mit anklagender Stimme. »Und wo ist Ihre

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