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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Abe und Bonnie Blue leben gern dort, wo sie sind.«
    »Stimmt.« Mary Alice bog auf die Hauptstraße ab. »Ich denke, Bubba geht es gut, meinst du nicht? Ich fühle mich |185| jetzt besser, was ihn betrifft, auch wenn es eine Pferdeklinik ist.«
    »Bubba wird sich wacker halten«, versicherte ich ihr. Ich erwähnte nicht, was Thurman Beatty von »kleineren Dimensionen« gesagt
     hatte.
    Auf unserem Weg zurück auf den Highway 280 kamen wir an der Stelle vorbei, an der Ross ums Leben gekommen war. Ich blickte
     in den dunklen Wald und überlegte, daß es sehr wohl ein Jäger gewesen sein konnte, der ihn erschossen hatte. Wir fuhren am
     Kreuzgarten vorbei. Während ich mich fragte, wie viele Kreuze hier wohl standen, kam hinter einem der größeren ein gebeugter
     alter Mann hervor. Er trug ein Gewehr und zielte auf uns. Ich duckte mich; Mary Alice trat auf die Bremse.
    »Was ist denn mit dir los?« fragte sie.
    »Weg hier, bevor er uns erschießt!«
    »Mit einem Spaten? Himmel noch mal, Maus!« Sie drückte auf die Hupe und winkte dem Mann zu.
    »Das ist ein Spaten?« Ich befreite mich vom Sicherheitsgurt, kam vorsichtig hoch und blickte zurück. Der Mann winkte mit der
     einen Hand, und in der anderen hielt er einen Spaten. »Hast du dich verletzt?« fragte Mary Alice.
    Ich rieb mir die Brust. »Sagen wir mal, den Bleistifttest bestehe ich nicht mehr.« Ich spielte auf den Bleistift-unter-der-Brust-Test
     an. Ist die Brust fest und straff, fällt der Bleistift runter. Überflüssig zu sagen, daß nur ganz Junge oder Flachbrüstige
     es versuchen.
    »Du hast den Bleistifttest schon seit vierzig Jahren nicht mehr bestanden. Aber einerlei, was ist denn bloß mit dir los?«
     Sie fuhr wieder weiter.
    »Nur ein paar Morde, Spanner, Entführungen, Fahrten im Krankenwagen. Einfach ein paar Dinge in der Art.«
    »Vielleicht ist dein Östrogenspiegel zu niedrig.«
    Ich schnallte mich wieder an, schloß die Augen und sagte mein Mantra.
    |186| »Was machst du da? Sagst du dein Mantra?« fragte Schwesterherz.
    Ich nickte.
    »Ich denke, wir haben uns zu spät damit befaßt, Maus. Ich meine, wenn man in unserem Alter ist, ist es zu weit zum inneren
     Selbst. Weißt du, was ich meine?«
    Auf eine seltsame Art und Weise wußte ich es.
    »Warren Newman will ständig das innere Kind aus mir herausholen, und ich habe ihm gesagt: ›Zum Teufel, Warren, man könnte
     meinen, Sie reden von einer Shirley-Temple-Puppe, die in einer Zedernholzkiste eingesperrt ist.‹ Und er antwortete mir darauf,
     das könne schon sein, und dann fiel mir ein, wie du meine Shirley-Temple-Puppe verloren hast, und ich erzählte ihm davon.«
    Ich seufzte. Warren Newman ist der Psychiater, den Schwesterherz oft genug besucht, um uns alle durcheinanderzubringen.
    »Er fragte mich, ob du dich je für das Verlieren meiner Puppe entschuldigt hast, und ich sagte nein.«
    »Tut mir leid, daß ich deine Shirley-Temple-Puppe verloren habe, Mary Alice.«
    »Ich verzeihe dir.« Sie bog auf den Highway 280 ab und fuhr in Richtung Harpersville. »Fühlst du dich besser? Ich schon.«
    Ein Mini-Verkehrsstau empfing uns an der Weihnachtsbaumfarm. Der Besitzer hatte beschlossen, sein Einkommen aufzubessern,
     indem er Fahrten in von Maultieren gezogenen Wagen zu den Feldern anbot, auf die die Weihnachtsbäume gepflanzt waren. Wir
     reichten jede zwei Dollar hinüber und kletterten auf einen Wagen.
    »Das ist herrlich«, sagte Schwesterherz. »Du hättest dich allerdings angemessener kleiden können, Maus.«
    Mein rotes Kostüm und die hohen Schuhe waren nicht gerade Baumfäller- und Maultierwagenkleidung. »Ich war eigentlich |187| im Blue Moon essen«, erinnerte ich sie. »Zusammen mit Frances Zata. Hast du sie etwa schon vergessen?«
    »Natürlich nicht. Es macht ihr sicher Spaß.«
    Die Maultiere setzten sich mit einem Ruck in Bewegung.
    Die nächste Stunde war wundervoll. In dem Bemühen, meine Stöckelschuhe zu schonen, ging ich auf Zehenspitzen durch die Baumreihen
     und half Mary Alice dabei, den einen, perfekten Baum zu finden.
    »Hier ist er«, sagte sie schließlich. Ich sah ihn mir näher an und befand, daß sie recht hatte. Es war eine schlanke Tanne,
     die in ihrem Wohnzimmer absolut traumhaft aussehen würde.
    »Er ist eigentlich zu hübsch, um ihn zu fällen«, sagte Mary Alice. Aber das hielt sie nicht davon ab, einen der Helfer mit
     einer Axt herbeizurufen.
    Wir fuhren auf dem Wagen zurück und suchten noch ein paar Kränze und Girlanden aus. Mit dem Baum

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