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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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letzter Friseurbesuch zurücklag.«
    Mary Alice entfernte das Papier. Es war ein weiteres Selbstporträt, dem, das ich hatte, sehr ähnlich, nur daß ein paar Pinselstriche
     weißer Farbe statt richtigem Haar seinen Kopf zierten. Aber dafür war auf Abes Nasenrücken eine echte Brille befestigt. »O
     mein Gott«, sagte Schwesterherz. »Schau dir das an, Maus.«
    Es war ein absolut bezauberndes Bild. Wenn man es betrachtete, mußte man unweigerlich lächeln. »Es ist wundervoll«, bestätigte
     ich.
    »Daddy macht schöne Sachen«, stimmte auch James Butler zu.
    Mary Alice hielt das Bild bewundernd vor sich. »Dr.   Butler« – sie deutete mit dem Kopf in meine Richtung   –, »das ist meine Schwester, Mrs.   Hollowell.«
    »Wir haben uns neulich abend bei Mercy Armistead getroffen«, fügte ich hinzu.
    James Butler nickte. »Wie geht es Ihnen, Mrs.   Hollowell?«
    »Erzähl ihm von deinen morschen Knien, Maus. Er ist Arzt.«
    |174| »Tierarzt, Mary Alice.«
    »Ja, richtig! Reich ihm Bubba rüber, Patricia Anne.«
    »Mary Alice!«
    Sie streckte die Hand aus, legte sie auf James Butlers Arm und zog ihn in den Flur. »Bitte kommen Sie kurz herein, Dr.   Butler. Wir haben hier einen Notfall, mein Kater ist krank, und Sie sind die Antwort auf meine Gebete. Die meisten Dinge lösen
     sich von allein, nicht wahr?«
    »Ja, Ma’am, das stimmt wohl.« James Butler sah sich verdutzt um. »Ist das der kranke Kater?« Er blickte Bubba an, der die
     Augen zusammenkniff und zurückstarrte.
    »Ja, das ist Bubba. Wo würden Sie ihn gern untersuchen?«
    »Wie wär’s mit dem Heizkissen auf der Küchenanrichte?« schlug ich vor.
    »Sie wollen wirklich, daß ich ihn mir ansehe?«
    »Natürlich. Er ist krank.« Mary Alice ging uns voran in die Küche, ihr Bild wie einen Schild vor sich hertragend. Ich folgte
     ihr mit Bubba über der Schulter, und James Butler bildete die Nachhut.
    »Es fing mit schwallartigem Erbrechen an«, erklärte Mary Alice über ihre Schulter hinweg. »Und als wir nach Hause kamen, lag
     er nicht auf seinem Heizkissen.«
    »Er schläft auf einem Heizkissen?« fragte James.
    »Natürlich.«
    »Auf der Küchenanrichte«, fügte ich hinzu.
    James streckte den Arm aus und streichelte Bubbas Kopf. »Glücklicher Kater.«
    »Brauchen Sie eine Taschenlampe oder so was?« fragte Mary Alice.
    »Ja, bitte.«
    Während sie eine holen ging, setzte ich Bubba auf der Anrichte ab, und James begann den Körper der Katze geschickt abzutasten,
     wobei er sich auf den Verdauungstrakt konzentrierte. |175| »Okay«, sagte er. »Ich denke, er hat leichtes Fieber. Ich wünschte, ich hätte ein Thermometer dabei.«
    »Tut es ein ganz normales auch?«
    »Wenn es ein Rektalthermometer ist, ja.«
    Mary Alice, die mit der Taschenlampe hereinkam, gab mir diese und verschwand erneut. Wenig später war sie mit dem Thermometer
     zurück.
    Wir sahen James stumm bei seiner Arbeit zu. Bis auf Bubba. Der begann laut zu schnurren, als das Thermometer eingeführt wurde.
    »Guter Junge«, sagte Mary Alice, während sie ihm den Kopf kraulte.
    »Er hat ziemlich hohe Temperatur«, sagte James, als er das Thermometer herauszog. »Sein Bauch ist aber weich. War er irgendwo
     draußen, wo ihn ein anderes Tier gebissen haben könnte?«
    »Absolut nicht.«
    »Nun, Sie sollten ihn zu Ihrem Tierarzt bringen. Ich vermute, es ist ein Harninfekt, aber ohne die entsprechenden Tests ist
     das nur eine Mutmaßung.«
    »Sie machen wohl Witze. Ich soll ihn zu Dr.   Adkins bringen? Es ist Samstagnachmittag«, sagte Mary Alice. »Wenn sein Anrufbeantworter ehrlich wäre, würde er sagen, daß
     er gerade auf dem Golfplatz steht und am vierten Loch abschlägt.«
    »Nun, wir wollen wirklich nicht, daß dieser Kater wegen Flüssigkeitsmangels kollabiert. Ich könnte ihn mit in meine Klinik
     nehmen, aber die ist unten in Shelby County.«
    Bubba schnurrte und gähnte. Er genoß die Aufmerksamkeit.
    »Das wäre wundervoll. Wollen Sie, daß wir Ihnen hinterherfahren?«
    James Butler schüttelte den Kopf. »Ich behalte ihn über Nacht da. Rufen Sie doch morgen mal an und erkundigen sich |176| nach ihm. Die Aussichten sind gut, daß Sie ihn dann schon wieder mitnehmen können. Ich hänge ihn in jedem Fall heute nacht
     an den Tropf.«
    »Danke. Ich hole seinen Reisekorb.« Mary Alice verschwand erneut.
    Die Nachmittagssonne ergoß ihr Licht in die Küche meiner Schwester und über die kräftigen schwarzen Hände, die das Fell an
     Bubbas Nacken kneteten. Ich streckte

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