Ob das wohl gutgeht...
gern ein neues Rezept, damit wir ohne Verzug mit der Behandlung beginnen können. Übrigens fanden wir beide Fred ganz fabelhaft.«
Ich wünschte, ich hätte ein Mäuschen sein können, um mitzuerleben, wie er die Carter-Bells betört hatte. Mehr als einmal hatte ich gehört, wie sie die Jugend von heute mit ihren langen Haaren pauschal als »die Gammler« bezeichnet hatten. Ich hätte niemals geglaubt, daß Fred überhaupt Einlaß in dieses Haus gewährt würde, wo er doch nicht einmal Socken trug.
Aber nicht nur die Carter-Bells, alle liebten ihn. Wenn das Telefon läutete, verlangten die Patienten entweder Lulu oder Fred. Ich hatte befürchtet, daß Patienten wegbleiben würden, doch das war weit gefehlt. Das Wartezimmer war immer bis auf den letzten Stuhl besetzt, und wir hatten außerdem viele neue Anmeldungen. Ich entdeckte zufällig, daß dies nicht ausschließlich Freds persönlichem Charme zuzuschreiben war oder wie immer man seine unbezweifelbar vorhandene Anziehungskraft nennen mochte.
Zuerst bemerkte ich, daß der Typ meiner Patienten sich irgendwie zu ändern schien. Zwischen den alten Pensionären, den Männern mittleren Alters, den Pärchen mit den verliebten Augen, die ständig ihre rollenden Einkaufskörbe mit sich nahmen, saßen Wesen von einem anderen Planeten. Sie waren ausschließlich weiblichen Geschlechts, trugen Stiefel, Miniröckchen, waren mit Perlen, Ketten und Glöckchen geschmückt und mit schimmernden Make-ups zurechtgemacht. Sie wollten nur Fred und niemand anderen als Fred sehen und warteten, wenn nötig, geduldig einen vollen Vormittag auf ihn.
Es war der Mann vom Ministerium, der mir die Augen öffnete. Er kam Ende des Monats und warf mir vor, den Rezept-Etat überzogen zu haben. Da ich es als Ehrensache betrachte, den armen Steuerzahler nicht unnötig zu belasten, wenn ich Rezepte für die Patienten ausschreibe, reagierte ich darauf gekränkt und versicherte ihm, daß er, falls er sich meine letzte Abrechnung einmal ansehen würde, feststellen müßte, daß ich der konservativste Rezeptaussteller im ganzen Bezirk sei, der nur in absolut notwendigen Fällen teure Präparate verschreibe.
»Ich muß allerdings hinzufügen«, sagte er, als ich meine kleine Rede beendet hatte, »daß die meisten dieser Rezepte von Ihrem Partner, Dr. Perfect, abgezeichnet sind.«
»Und was hat er so oft verschrieben?«
»Die Pille«, sagte er. »Jede Frau in Ihrer Praxis scheint die Pille zu nehmen.«
Die Pille! Das erklärte die zunehmend seltsamere Atmosphäre in unserem Wartezimmer...
Freds einzige Erwiderung war, ich möge den Mann vom Ministerium einseifen, und er schwor mir, daß er, ob erlaubt oder nicht, mit dem Verschreiben der Pille weitermachen werde, da seine Vögel Liebe und keine Kinder wollten.
Schon bald hatte er es fertiggebracht, daß auch Sylvia ihn anhimmelte. Sie nähte ihm seine abgerissenen Knöpfe an, ernährte ihn mit Bergen von Schokoladebiskuits und Strömen von Kaffee, und als ich sie eines Tages bei meiner Rückkehr im Wohnzimmer dabei fand, ihm das Haar mit der Schere zu schneiden, die ich zum Ziehen der Fäden zu benützen pflegte, akzeptierte ich Dr. Mallesons Angebot.
Ich hatte ihn anläßlich der Hochzeit einer Patientin kennengelernt. Ich habe zwar noch nicht lange genug praktiziert, um die Hochzeiten derjenigen zu erleben, denen ich auf Gedeih oder Verderben in diese Welt verholfen hatte, aber die kleine Molly Saunders konnte nicht mehr als fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein, als sie, knapp eine Woche nach meinem Start als junger Arzt, von der Gartenschaukel gefallen war. Eine verzweifelte Mrs. Saunders hatte mir die Tür geöffnet und, als sie mich sah, gesagt: »Oh, mein Bester, meine Tochter ist verunglückt, und wir warten auf den Arzt. Vielleicht sind Sie mit dem Wagen hier, junger Mann, und könnten uns rasch ins Hospital fahren?«
Seitdem war ich einiges älter geworden. Ebenso Molly. Ihre Oberlippe zeigte noch schwache Narbenspuren, aber heute an ihrem Hochzeitstag konnte dieser kleine Schönheitsfehler ihr strahlendes Gesicht nicht beeinträchtigen. Die Tatsache, daß der Name des Brautführers Malleson war, war mir zunächst nicht aufgefallen, bis ich im Gedränge an der Bar mit Toby Malleson zusammenstieß.
»Was machst du denn hier?« fragte er und ließ den Champagner auf meinen Schlips tropfen.
»Molly ist meine Patientin. Und was machst du hier?«
»Sie heiratet meinen Neffen. Ob es Flecken machen wird?«
Ich brauchte einen
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