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Ob das wohl gutgeht...

Ob das wohl gutgeht...

Titel: Ob das wohl gutgeht... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Käsestückchen einzutunken und Brote zu schmieren, um meinen Hunger zu stillen. Ich unterhielt mich mit einigen Männern und flirtete ein bißchen mit den Mädchen und überlegte, wo sie nur all diese Leute hergeholt hatten, die eben erst von den verschiedensten Ecken unseres Globus angekommen zu sein schienen oder kurz vor der Abreise standen, um irgendwo auf dieser Welt Vorträge zu halten, Theater zu spielen, zu faulenzen, »Daddy« zu begleiten oder der Sonne zu folgen oder aus einer Vielzahl anderer Gründe, von denen ich zu gern auch einen gehabt hätte.
    Als ich, was Essen und Trinken betraf, mit den anderen gleichgezogen hatte, ging ich nach oben, um frische Luft zu schöpfen und Sylvia zu suchen. Sie saß auf dem Piano, hielt Hof und sah fabelhaft aus. Ich ließ sie allein; dieser Abend gehörte ihr, ich wollte sie nicht stören.
    Ich bahnte mir wieder einen Weg hinaus zur Diele und setzte mich mit einem großen Glas Shandy auf halber Höhe der Treppe nieder. Eine etwas angeheiterte Rothaarige setzte sich mir auf den Schoß. Ungefragt begann sie mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen, in welcher zwei oder drei Ehemänner - sie schien sich der Anzahl nicht ganz sicher zu sein -, mehrere Filmrollen und ihre Heimat Los Angeles vorkamen. Sie war gerade dabei, mir einen Antrag zu machen, weil sie fand, daß ich hübsche Ohren habe, als Faraday unten an der Treppe erschien.
    Er sah wie ein graues schwitzendes Gespenst aus. Langsam, Schritt für Schritt, stieg er die Treppe herauf.
    »Soll ich mitkommen?« fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wohin gehst du?«
    »Ich lege mich jetzt zum Sterben hin.«
    Die Rothaarige lachte. Ihre Zähne waren sehr weiß.
    »Er ist sehr komisch«, sagte sie.
     

21
     
    Der Tod, dem Zeit und Person gleichgültig sind, wählte für seinen Besuch bei Faraday einen Montag morgen. Es war der Tag, an dem Fred vor Gericht erscheinen mußte. Obwohl mein ältester und nächster Freund mehr als dreitausend Meilen gereist war, um in meiner Nähe zu sein, war ich nicht bei ihm, als er starb.
    Ich hatte geahnt, daß mir ein geschäftiger Montagvormittag bevorstehen würde, mit einer vollbesetzten Sprechstunde und einer langen Visitenliste, die ich allein bewältigen mußte, und hatte deshalb besonders frühzeitig begonnen.
    Ich war gerade dabei, den Wagen rückwärts aus der Garage hinauszufahren, als Sylvia ihren Kopf aus dem Fenster streckte und »warte!« rief. Sie schickte Peter hinaus, der mir sagte, daß Maureen Clarke starke Schmerzen im Rücken und Magen habe und ob ich sofort zu ihr kommen könnte. Während ich die Garagentür schloß, erschien Penny in großer Eile, um zu berichten, daß es Mr. Tolley wieder sehr schlecht gehe und es dringend sei, Mami sei im Bad, aber Tante Caroline weine am Telefon. Ob ich sofort zu Faraday kommen könnte.
    Ich überlegte einen Augenblick, ob ich zuerst Maureen Clarke aufsuchen sollte, die im siebten Monat schwanger war, oder Großpapa Tolley, der vielleicht einen Herzanfall hatte, oder meinen besten Freund, der mich dringend brauchte, oder ob ich mich erst der Patienten annehmen sollte, von denen das Wartezimmer voll war, als Diana Pilkington, die immer im ungeschicktesten Moment kam, die Wagentür öffnete und Cecils Frühstücksbrote ohne ein Wort zu sagen auf den Sitz legte. Dieser Vorgang wiederholte sich in der Woche zweimal, da Cecil offenbar unfähig war, an mehr als drei von fünf Tagen selbst an sein Frühstück zu denken.
    Ich wünschte nichts sehnlicher, als Faraday sofort zu besuchen. Alles andere war doch unwichtig. Ich verfluchte Fred, der ausgerechnet heute vormittag bei Gericht erscheinen mußte, und die Patienten, die mit gutem Recht erwarteten, daß ich mich zunächst ihnen widmete. Schließlich blieb nur die Alternative Opa Tolley oder Maureen Clarke. Ich entschied mich für Maureen, deren besorgte Mutter bereits vor der Tür auf mich wartete.
    »Was bin ich froh, daß Sie kommen, Doktor. Maureen hat so entsetzliche Schmerzen.«
    Ich fragte weiter, während ich die Stufen hinauflief.
    Nach achtundzwanzig Wochen traten bei Maureen ganz offensichtlich die Wehen auf. In Anbetracht ihrer Toxämie mußte sie sofort ins Krankenhaus gebracht werden. Ich schickte Mrs. Grimshaw zum Telefon, um den Geburtshilfe-Bereitschaftsdienst herbeizurufen. Maureen bat mich, bei ihr zu bleiben.
    »Wird das Kind gesund zur Welt kommen, Doktor?«
    »Ganz bestimmt«, sagte ich, optimistischer als ich tatsächlich war.
    Die Minuten vergingen.

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