Obduktion
unbehandeltem Zedernholz eingefasst war. Von der Hektik der Großstadt war hier wirklich nichts zu spüren.
»Ein Toast auf unsere Gastgeberin!«, sagte Jack, der sein Weinglas erhob und Sana zunickte, die am rechten Ende des Tisches saß. Shawn saß am linken Ende
und James direkt neben ihm. Vor jedem von ihnen stand ein Teller mit Grillfleisch mit einer merkwürdig aussehenden, scharf riechenden, orangefarbenen Soße, Couscous mit Mandelscheibchen und einer Artischocke mit Vinaigrette.
»Es gibt Lammkoteletts auf indische Art«, verkündete Sana, »leider hat das Lamm nur knapp zwei Stunden in der Marinade gelegen, was eigentlich das Minimum ist, aber ich habe getan, was ich konnte. Mir blieb nicht mehr viel Zeit, nachdem ich meine Proben in den Inkubator gelegt habe, damit sie über Nacht trocknen.«
»Ich nehme an, du versuchst DNA aus den Knochen zu gewinnen?«, fragte James. Er ging natürlich nicht davon aus, dass es tatsächlich Marias Knochen waren, aber bei der Vorstellung, man könne versuchen, ihnen DNA zu entnehmen, fühlte er sich unbehaglich, auch wenn er nicht genau erklären konnte, warum. Wahrscheinlich empfand er es als Eingriff in die Privatsphäre eines Menschen, der ihm so außergewöhnlich nah war.
»Das ist richtig«, gab Sana zurück, »aber im Moment versuchen wir es mit einem Zahn, nicht mit den Knochen. «
»Ist das ein langwieriger Prozess?«, erkundigte sich James.
»Wenn wir Glück haben, nicht«, antwortete Sana. »Es sollte nur ein paar Tage dauern, vielleicht eine Woche. Ich gehe lieber vorsichtig vor als schnell. Die Gefahr einer Verunreinigung der DNA ist groß, und das möchte ich natürlich vermeiden.«
»Was ist mit den Knochen?«, fragte James. »Was habt ihr von dem Anthropologen erfahren? Sind sie menschlich? Von einer Frau? Oder stammen sie von mehreren Personen?«
»Ja, ja und nein«, antwortete Sana. »Sie sind definitiv
menschlich, ohne Zweifel weiblich und nur von einer Person.«
»Und es gibt sogar einen Hinweis, dass es sich um eine kinderreiche Frau handelt«, fügte Jack hinzu. »Um nicht zu sagen, ausgesprochen kinderreich, mehr als fünf, vielleicht sogar bis zu zwölf Kinder.«
James fühlte seinen Puls in den Schläfen hämmern und bekam einen Schweißausbruch. Er dachte darüber nach, seinen Pullover auszuziehen. Nachdem er einen Schluck Wein genommen hatte, um seine plötzlich sehr trockene Kehle zu befeuchten, fragte er: »Wie sieht es mit dem Alter der Person aus?«
»Das ist schwerer zu ermitteln, aber ich habe dem Anthropologen eine Vermutung abringen können. Er schätzt sie auf mindestens fünfzig, wahrscheinlich aber sogar über achtzig.«
»Ich verstehe«, sagte James nur. Er überschlug die Zahlen rasch im Kopf. Das Alter könnte eindeutig passen, wenn man davon ausging, dass Jesus um 4v. Chr. geboren worden war und Maria 62 n. Chr. starb. Sie musste also etwas über achtzig Jahre alt gewesen sein.
James spürte, dass seine Nervosität weiter anstieg. Obwohl alles, was er hier hörte, nur auf Indizien beruhte, fürchtete er, dass solcherlei Beweise Shawns Meinung nur noch festigen könnten, und das würde sein Vorhaben erheblich erschweren. Er wusste, dass er nicht länger warten konnte und seine Ansichten darlegen musste. Ansonsten würde er nämlich auf Plan B zurückgreifen müssen, und das größte Problem an Plan B war, dass es ihn nicht gab.
James versuchte, das Zittern seiner Hand zu verbergen, als er einen großen Schluck Wein nahm. Er genoss den absolut himmlischen Geschmack. Dann schluckte er ihn ganz langsam hinunter, richtete sich in seinem Stuhl auf
und begann damit, sich bei der Gastgeberin für die Einladung zu bedanken. »Dies ist das beste Essen, das ich jemals genossen habe«, sagte James und blickte zu Sana hinüber. »Außergewöhnlich geschmackvolles, perfekt zubereitetes Fleisch, kombiniert mit allerfeinsten Gewürzen und Aromen. Ich trinke auf Sie, junge Dame.« James hob sein Glas, und Shawn und Jack taten es ihm gleich. Dann wandte James sich Shawn zu und erhob erneut das Glas. »Und zu diesem wundervollen Essen dann noch dieser exzellente Wein. Ich bete, dass du dafür nicht dein Haus beleihen musstest.«
Shawn beugte sich vor und gluckste dankbar: »Schon damals auf dem College war dein Geburtstag immer eine willkommene Ausrede, um zu feiern, statt zu studieren. Außerdem ist mir für deinen Geburtstag und unser bestes Stück, das Ossuarium, kein Preis zu hoch. Prost!«
Alle tranken einen Schluck des edlen
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