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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Galileo wurde wegen Ketzerei angeklagt, weil er mit seinem Teleskop beweisen
konnte, dass das heliozentrische Weltbild von Kopernikus richtig war, während das kirchliche Dogma behauptete, die Erde sei der Mittelpunkt.«
    »Das war eine Sache der Kirchenlehre und des sensus fidelium, aber nicht der päpstlichen Unfehlbarkeit«, widersprach James.
    »Wie auch immer«, wehrte Shawn ab. »Es war eine unverzeihliche Ignoranz gegenüber den Fakten und der Wahrheit.«
    »Das ist deine Meinung.«
    »Natürlich ist das meine Meinung!«
    »Geschichten wie die von Galileo müssen immer im Zusammenhang mit der Zeit gesehen werden, in der sie sich ereigneten.«
    »Ich glaube nicht, dass Tatsachen und Wahrheit von der Zeit abhängen«, unterbrach Shawn James. Seine Sprache wurde zunehmend undeutlicher. Er hatte schon Wein und Scotch getrunken, bevor Jack und James eingetroffen waren. »Glaubt hier außer James sonst noch jemand an diesen Blödsinn?«
    Leicht schwankend sah Shawn zu Sana und Jack herüber, aber er bekam keine Antwort. Keiner von beiden wollte in diesem Streit, der ganz sicher noch nicht vorbei war, Partei ergreifen und dadurch einen von ihnen verletzen.
    »Würdest du mich bitte ausreden lassen?«, verlangte James.
    Shawn öffnete demonstrativ seine Arme und signalisierte James, seine Ausführungen fortzusetzen.
    »Wenn du einen Artikel veröffentlichst, in dem behauptet wird, die Knochen aus dem Ossuarium seien die Gebeine der Jungfrau Maria, dann widerspricht das der Munificentissimus Deus von Papst Pius XII., in der er 1950 die vollständige Aufnahme von Maria in den
Himmel verkündet hat. Dies hätte zum einen verheerende Folgen für die Kirche, weil es sowohl das Ansehen von Maria als auch die Autorität der Kirche untergraben würde. Und es hätte zum anderen mit Sicherheit auch verheerende Folgen für meine persönliche Karriere. Wenn der Fall untersucht würde – und davon können wir mit Bestimmtheit ausgehen –, käme schnell ans Licht, dass ich es war, der sich bei der päpstlichen Kommission für religiöse Archäologie für dich eingesetzt hat, damit du Zugang zur Nekropole bekommst, was dir dann die Möglichkeit gab, das Ossuarium zu stehlen. Denn nichts anderes hast du getan.«
    »Ich ziehe das Wort ›leihen‹ vor«, sagte Shawn mit einem höhnischen Lächeln.
    »Für jemanden, der behauptet, auf Wahrheit und Fakten Wert zu legen, ist ›stehlen‹ aber ein viel treffenderer Ausdruck als ›leihen‹. Schon bald werden Wahrheit und Fakten ans Licht kommen, die beweisen, dass der Erzbischof von New York es einem Dieb ermöglicht hat, das Ossuarium zu stehlen. Schlimmer noch, dass der Erzbischof das wichtige Artefakt aus dem Vatikan und aus Italien nach New York brachte, wo es dann, ohne Wissen der rechtmäßigen Besitzer, aufgebrochen wurde. Wenn diese Verstrickungen bekannt würden, würde der Heilige Vater mich innerhalb einer Woche nach Rom zitieren und mich dann in irgendein Kloster stecken, entweder im Dschungel von Peru oder in der mongolischen Wüste.«
    Als James fertig war, hatte sich eine solche Stille über das gemütliche Abendessen gelegt, dass nur die Katze der Daughtrys zu hören war, die am Ende des Flurs in ihrem Klo kratzte. Niemand sprach ein Wort. Und keiner sah den anderen an. Ein unbehagliches Gefühl von Verrat lag in der Luft wie eine Pestwolke.
    Plötzlich schob Sana ihren Stuhl vom Tisch ab, stand
auf und sagte: »Warum geht ihr nicht alle wieder ins Wohnzimmer, wo ich euch dann das Dessert servieren werde? Shawn, kümmerst du dich um den Brandy?« Als alle aufstanden, nahm Sana ihren Teller und den von James und brachte sie in die Küche. Immer noch sprach keiner der Männer ein Wort. Stattdessen trug jeder seinen Teller und was sonst noch auf dem Tisch stand hinter ihr her in die Küche.
    »Es wäre wirklich besser, ihr würdet auf mich hören und ins Wohnzimmer gehen«, sagte Sana, als die Männer, die das Geschirr loswerden wollten, vergeblich versuchten, es direkt in die Spülmaschine zu stellen, und dabei ständig aneinanderstießen.
    »Wer möchte Brandy und wer bleibt bei seinem Wein?«, fragte Shawn heiter. Er griff die noch fast volle zweite Flasche Pétrus und ging gefährlich wankend in Richtung Wohnzimmer. »Wenn ihr Wein wollt, bringt bitte eure Gläser mit«, fügte er hinzu, als er sein eigenes vom Küchentisch nahm.
    Im Wohnzimmer ließ sich jeder auf seinem alten Platz nieder. Bevor Shawn sich hinsetzte, stellte er sein Glas und die Flasche auf dem

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