Obduktion

Nacht eine ähnliche Geschichte über Shawn erzählt hatte. Was ihm aber sehr gefiel, war Lukes Beschreibung, wie er zur Jungfrau Maria gefunden hatte, wie sie ihn gerettet und ihm den Glauben an die Kirche zurückgegeben hatte.
    Sobald er überzeugt war, dass Luke als Kandidat und »Retter« vollkommen geeignet war, lenkte James das Gespräch auf das Problem, das ihm Shawn und das Ossuarium bereiteten. Aber nicht, ohne Luke zuvor bei seiner Liebe zur Jungfrau Maria feierlich Geheimhaltung schwören zu lassen.
    »Passenderweise hat das Problem mit der Muttergottes zu tun«, eröffnete James, sobald Luke sein Wort gegeben hatte. James berichtete die Geschichte der Entdeckung des Ossuariums, bekräftigte seine Überzeugung, dass es sich dabei um eine Fälschung handeln musste, und erzählte vom illegalen Transport des Ossuariums in die Vereinigten Staaten und dessen kürzlich erfolgte Öffnung. Dann beschrieb er Shawns Entschlossenheit, das Ansehen der Jungfrau zu beschädigen, indem er behauptete, die Gebeine im Ossuarium seien die ihren, was auch die Unfehlbarkeit des Papstes in Zweifel ziehen würde. »Es wäre verheerend, sowohl für Maria als auch für die Kirche«, schloss James. »Und allein Sie können es schaffen, Dr. Daughtry von einer solchen Scheußlichkeit abzuhalten.«
    »Bin ich dieser Aufgabe würdig?«, fragte Luke in einer tieferen Stimmlage, als sein jugendliches Aussehen erwarten ließ.

    »Als Erzbischof glaube ich, dass Ihre Verehrung der Gesegneten Jungfrau Sie dazu würdig macht und außerdem qualifiziert wie niemanden sonst. Es wird keine leichte Aufgabe sein, denn ich glaube, dass Ihr Widersacher die Hilfe und die Aufmerksamkeit Satans hat, doch Sie müssen unbedingt Erfolg haben.«
    »Haben Sie schon eine Vorstellung davon, wie ich das anstellen sollte?«, fragte Luke in einem Tonfall, der seine jugendliche Erscheinung Lügen strafte.
    James lehnte sich zurück und dachte eine Weile nach. Tatsächlich hatte er über das Auffinden der richtigen Person bisher nicht hinausgedacht. Jetzt, da er sie gefunden zu haben glaubte, versuchte er, sich die Details zu überlegen. Als Erstes musste man natürlich Luke und Shawn über einen längeren Zeitraum zusammenbringen. Nur dann hätte Luke Gelegenheit, Shawn begreiflich zu machen, wie verheerend Shawns Festhalten an den Publikationsplänen für ihn persönlich wäre.
    »Ich werde dafür sorgen, dass Sie als Hausgast in das Heim der Daughtrys eingeladen werden. Das verschafft Ihnen Zutritt und Zeit. Man hatte Ihnen mitgeteilt, dass Sie etwa eine Woche hier in der Stadt bleiben würden, richtig?«
    »Ja, das stimmt. Aber ein so langer Aufenthalt macht mir Sorgen, Euer Eminenz. Ich habe mir jede Gelegenheit zur Sünde versagt, seit ich bei der Bruderschaft bin.«
    »Sie werden zu viel um die Ohren haben, um sich auch noch über Gelegenheiten zur Sünde Sorgen zu machen«, beruhigte ihn James. »Wie schon gesagt, dies wird kein leichtes Unterfangen. Es könnte sogar sein, dass es misslingt, aber es ist notwendig, dass Sie Ihr Bestes geben. Ich habe es selbst schon versucht, aber ich bin gescheitert. Trotz allem bin ich vollkommen davon überzeugt, dass Dr. Daughtry in seinem tiefsten Inneren ein überzeugter
Katholik ist. Er muss nur wieder in Kontakt kommen mit diesem Teil seiner Persönlichkeit.«
    »Was ist, wenn Dr. Daughtry und seine Frau mich zurückweisen? «
    »Dieses Risiko müssen wir eingehen«, sagte James. »Ich habe noch immer einen gewissen Einfluss auf meinen Freund, den ich geltend machen werde. Darüber hinaus werde ich absolut ehrlich mit ihm sein und ihm genau erklären, warum Sie da sind. Deshalb wird es keine Überraschungen geben. Gott hat Sie auserwählt, um das Ansehen der Gesegneten Maria und ihre Stellung in der Kirche zu bewahren. Sie war frei von Sünde und deshalb würdig, mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen zu werden.«
    »Wann kann ich meine Mission beginnen?«, erkundigte sich Luke, vom Eifer gepackt.
    »Ich denke, Sie sollten noch im Verlauf des heutigen Tages beginnen«, sagte James. »Hier ist der Plan. Ich werde einen meiner Sekretäre anweisen, Sie zur Kathedrale zu bringen. Ich möchte, dass Sie dort zu Gott dem Herrn beten, er möge Ihre Wege leiten bei der Aufgabe, die Sie zum Wohle Marias und der Kirche übernehmen werden. Während Sie dort sind, werde ich Ihren Empfang bei den Daughtrys vorbereiten. Ich könnte anrufen, aber ich denke, es ist besser, wenn ich persönlich mit ihnen spreche. Falls es mir