Obduktion
hätte.«
»Bei mir läuft es extrem gut«, antwortete Sana. »Das Labor ist wirklich das Modernste, was es zurzeit gibt, und extrem sinnvoll angelegt. Hier kann man wunderbar arbeiten. Ich werde mich schon heute Nachmittag mithilfe der Zentrifugen an die Extraktionsphase machen können. Momentan ist die Probe aus der Zahnwurzel in der Reinigungslösung. Dort werden die Zellwände aufgebrochen und mithilfe der Proteinase alle Proteine denaturiert. Bei dieser Geschwindigkeit kann ich morgen mit der PCR, also mit der Polymerase-Kettenreaktion beginnen.«
»Bitte keine unnötigen Details«, wehrte James ab. »Für mich klingt das alles wie Griechisch.«
Alle lachten, sogar James. »Und außerdem möchte ich mich noch für den schönen Abend gestern bedanken und anmerken, dass dir das Essen ganz besonders gut gelungen ist.«
»Danke, Euer Eminenz.« Sana errötete leicht.
»Ich wünschte, ich könnte dasselbe über die Anwesenden sagen«, antwortete James und kicherte, um zu zeigen, dass er nur einen Witz machte. »Ich scherze natürlich nur, aber trotzdem musste ich ja zu meiner Enttäuschung erfahren, dass mein Wunsch, die Heilige Jungfrau aus dieser Geschichte herauszuhalten, nicht in Erfüllung geht. Jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Habe ich recht mit dieser Annahme, Shawn?«
»Absolut. Ich weiß nicht, wie ich es noch deutlicher ausdrücken könnte. Ich gebe zu, dass ich letzte Nacht
ziemlich angetrunken war, und ich kann mich beim besten Willen nicht an alles erinnern, was ich gesagt habe. Dafür entschuldige ich mich. Aber ich glaube, ich war sehr deutlich, was meine Absichten hinsichtlich des Ossuariums und seines Inhaltes betrifft.«
»Sehr deutlich, in der Tat«, sagte James. »So deutlich, dass ich nach Verlassen deines Hauses viel Zeit darauf verwendet habe, darüber nachzudenken und den Herrn um Rat zu bitten, was ich tun könnte, um dich zu einer Meinungsänderung zu bewegen. Ich habe es aufgegeben, es selbst zu versuchen. Wir kennen uns einfach zu gut, du hast mich sogar Pummel genannt.«
»Um Gottes willen«, schrie Shawn und schlug sich auf die Stirn. »Sag bloß nicht, ich hätte dich Pummel genannt. Wie respektlos von mir. Das tut mir furchtbar leid, alter Freund.«
»Doch, das hast du, fürchte ich«, sagte James. »Aber es sei dir vergeben. Ich habe viel zu wenig dafür getan, dass der Name nicht mehr so treffend wäre. Und darüber hinaus habe ich mich dazu entschlossen, euch beiden zu gestatten, die Studien am Inhalt des Ossuariums fortzusetzen, mit einer Einschränkung allerdings.«
Ein schmallippiges, spöttisches Lächeln erschien auf Shawns Lippen. »Wie kommst du darauf, dass du uns gestatten könntest, unsere Arbeit zu tun? Aus meiner Sicht erscheinen deine Wünsche vergleichsweise irrelevant, obwohl ich mir als Realist darüber im Klaren bin, dass ein Anruf von dir bei Jacks Boss wahrscheinlich ausreichen würde, um uns auf die Straße zu setzen. Aber wenn du das tust, gehen wir einfach woandershin.«
»Manchmal überrascht deine Naivität mich wirklich«, antwortete James. »Vor allem scheint dir noch immer nicht aufgegangen zu sein, dass die Behauptung, es handele sich um die Knochen der Jungfrau Maria, lediglich
auf einer Aussage beruht, die Simon Magus gegenüber seinem Assistenten Saturninus gemacht hat. Aus theologischer Sicht, und um nichts anderes geht es hier ja, stützt du deine Beweisführung auf die denkbar schlechteste Quelle. Falls Simon nur vorhatte, die Gebeine gegen die Heilkräfte des Petrus einzutauschen, dann hätte er sich nicht unbedingt die Mühe machen müssen, die richtigen Gebeine zu bekommen. Dafür hätten irgendwelche weiblichen Knochen ausgereicht. Und darum handelt es sich meiner Meinung nach bei diesen Knochen. Es sind die Überreste irgendeiner unbekannten Frau aus dem ersten Jahrhundert, aber nicht die der Heiligen Jungfrau.«
»Dagegen spricht aber die Aussage von Saturninus, dass Simon enttäuscht darüber war, dass ihm die Knochen nicht automatisch und auf mystische Weise gewisse Heilkräfte übertragen haben. Wären es nicht die Knochen der Jungfrau gewesen, hätte er weder gehofft noch vermutet, dass die Knochen allein schon dafür ausreichen würden.«
»Ich habe es aufgegeben, diese Affäre noch länger zu diskutieren«, entgegnete James und hob abwehrend die Hand. »Ich werde nicht länger versuchen, deine Meinung persönlich zu ändern. Aber was meine Möglichkeiten betrifft, dich aufzuhalten, bedenke bitte Folgendes. Wenn du nicht
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