Obduktion
schließlich zum Erfolg führen würde.
»Hast du ihm erklärt, wie tief dich sein felsenfester Zweifel an Marias Himmelfahrt verletzt?«, hatte James gefragt, der sein Möglichstes tat, um Luke zu unterstützen und zu ermutigen, denn er hatte keinen Plan C.
»Nur so weit, wie er es zuließ«, hatte Luke geantwortet. »Obwohl er inzwischen das Thema wechselt, sobald ich es anschneide. Er hat sogar schon damit gedroht, mich zum Gehen aufzufordern.«
»Und was ist mit seiner Frau?«
»Sie ist sehr gastfreundlich«, hatte Luke gesagt. »Sie hat mehr als wettgemacht, woran es Shawn mangelt. Ich
bin ganz sicher, wenn es mir gelingt, seine Meinung zu ändern, dann wird sie auch einverstanden sein. Sie ist nicht annähernd so entschieden wie er.«
»Bitte versuche es weiter«, hatte James gesagt. »Es ist noch ein guter Teil der Woche übrig.«
Abgesehen von den beiden Telefonaten mit James und dem Umstand, dass er bei Shawn nicht vorankam, hatte Luke sich außerordentlich wohlgefühlt, obwohl es ihn nach wie vor verunsicherte, draußen in der Welt und der Sünde ausgesetzt zu sein. An beiden Vormittagen war Sana früh aufgestanden und hatte Luke ein üppiges Frühstück zubereitet. Sie hatte ihm erzählt, dass sie sehr gern kochte und oft enttäuscht war, weil es Shawn nicht kümmerte, ob Fast Food oder Haute Cuisine auf den Tisch kam. Luke hatte ihr gestanden, dass er, anders als Shawn oder seine Klosterbrüder, gutes Essen liebte. Das Abendessen tags zuvor sei hervorragend gewesen und er freue sich auf das, was es heute geben würde.
Noch mehr als das Essen hatte Luke es indessen genossen, als Sana am Montag schon früh nach Hause kam. Sie hatte erzählt, dass ihre DNA-Analyse großartige Fortschritte machte und die Zahnwurzelproben schon im PCR-Stadium waren, aber davon hatte Luke gar nichts verstanden. Das spielte allerdings keine Rolle, denn Sana hatte ihre freie Zeit für einen Stadtbummel mit Luke genutzt und ihm ein paar neue Kleidungsstücke gekauft, die ihm im Gegensatz zu den Sachen von Pater Karlin auch wirklich passten.
Der Stadtbummel erwies sich als angenehme Erfahrung. Luke konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal selbst Kleidung für sich gekauft hatte, und er ließ sich gern von Sana beraten. Darüber hinaus genoss er die festliche Vorweihnachtszeit, es waren schließlich nur noch zwei Wochen bis Heiligabend. Und zur Krönung
des Tages hatten Sana und Luke nach dem Abendessen wieder ein Gespräch am Kaminfeuer geführt, bei dem Sana über ihre Lebensgeschichte und sogar ihre aktuellen Probleme gesprochen hatte. Luke hatte Einfühlungsvermögen bewiesen, als sich seine Vermutung bestätigte, dass Shawn sie nicht mehr so behandelte wie zu Beginn ihrer Ehe, speziell im intimen Umgang. Ihm war schon aufgefallen, dass Shawn im Gästezimmer im zweiten Stock, Sana hingegen im großen Schlafzimmer im dritten Stockwerk schlief. Obwohl Luke nicht so tat, als könne er alles verstehen, was ihm Sana erzählte, hatte er ihr doch gesagt, dass er für sie beten wolle und dass er nicht verstehen könne, warum Shawn nicht mit ihr schlafen wollte, schließlich sei sie doch so schön.
»Vielen Dank für die Bestätigung und die Gebete«, hatte Sana geantwortet, »aber um ehrlich zu sein, ziehe ich es zurzeit vor, nicht mit ihm zu schlafen.«
Genau wie Sana hatte auch Shawn in den letzten zwei Tagen große Fortschritte gemacht. Er war an dem Punkt angelangt, auf den er gehofft hatte, denn das Abrollen des ersten Papyrus ging inzwischen viel schneller voran. Am Montag hatte er nur eine einzige Seite geschafft, aber am Dienstag hatte er schon über zwei Seiten abgewickelt. Da er die bereits entrollten Abschnitte direkt las, hatte er inzwischen den Eindruck gewonnen, dass Simon keineswegs der Unmensch gewesen war, als den man ihn hingestellt hatte. Shawn war natürlich klar, dass Simon über sich selbst schrieb, doch er glaubte, je besser Simons Leumund war, desto glaubwürdiger wäre er auch als Zeuge für die Echtheit der Knochen.
»Luke!«, rief Sana die Treppen hinauf. Shawn und sie waren gerade zu Hause angekommen. Sie hörte Luke aus einiger Entfernung antworten, vielleicht war er mit seinen Gebeten beschäftigt. »Wir sind wieder da!« Dann folgte
sie Shawn in die Küche, wo sie die gerade eingekauften Lebensmittel auspackte und verstaute. Noch während sie damit beschäftigt war, goss sich Shawn einen Scotch als ersten Drink des Tages ein. Vor ein paar Tagen noch hatte sich Sana über Shawns
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