Obduktion
und nahm ihn aus Lauries Armen. »Lass es uns ausprobieren, wir haben doch nichts zu verlieren.«
»In Ordnung«, gab Laurie nach.
Genau achtzehn Minuten später erreichten sie ein Dorf, das aus einer staubigen Straße und einer Handvoll betonwürfelähnlicher Häuser bestand, deren Stahlträger auf zukünftige Erweiterungen warteten. Es gab einige Geschäfte, darunter einen Tabakladen, eine Gewürzhandlung und einen kleinen Gemischtwarenladen. Außerdem gab es eine Schule mit vielen uniformierten Schulkindern.
»Am einfachsten wäre es, wenn wir den Muchtar aufsuchen würden«, übertönte Hillel das Stimmengewirr der Kinder.
»Was ist ein Muchtar?«, fragte Jack zurück.
»Das heißt auf Arabisch ›der Auserwählte‹«, sagte Hillel. Er schloss die Fenster, um nicht mehr schreien zu müssen. »Er ist der Dorfvorsteher, und er kennt Jamilla Mohammod bestimmt.«
»Kennen Sie den Muchtar von Tsur Baher persönlich?«, fragte Jack. Er saß auf dem Beifahrersitz. Laurie saß hinter ihm und JJ in seinem Kindersitz neben ihr.
»Nein, aber das macht auch nichts.«
Hillel parkte den Wagen und stürmte in den Gemischtwarenladen. Nachdem er darin verschwunden war, kamen mehrere Schulkinder herüber und starrten Jack an. Jack lächelte und winkte ihnen zu. Einige winkten verlegen zurück. Dann trat ein Mann aus dem Laden und scheuchte die Kinder fort.
Wenig später kam Hillel zurück. Er ging zur Beifahrerseite des Wagens, wo Jack saß und das Fenster herunterkurbelte.
»Der Laden ist eine Art lokaler Treffpunkt«, erklärte Hillel. »Und der Muchtar ist gerade da. Ich habe ihn nach Jamilla gefragt, und er hat nach ihr geschickt. Wenn Sie sie treffen wollen, dann sind Sie drinnen willkommen. «
»Fantastisch«, sagte Jack. Er stieg aus dem Wagen und öffnete die Schiebetür für Laurie und JJ.
Das Innere des Ladens war vom Boden bis zur Decke mit Waren aller Art vollgestopft. Von Lebensmitteln bis zu Spielzeug über Haushaltswaren und Computerpapier fand sich dort einfach alles. Im hinteren Teil des Ladens befand sich ein Aufenthaltsraum, dessen einziges Fenster auf einen kargen Garten hinausging, in dem ein paar magere Hühner herumpickten.
Der Muchtar war ein arabisch gekleideter, älterer Mann mit sonnengegerbter, dunkler Haut, der an einer Wasserpfeife zog. Er war sichtlich erfreut über die Gesellschaft und bestellte sofort Tee für alle. Seine Begeisterung wuchs, als er hörte, dass die Stapletons aus New York kamen, denn er hatte Verwandtschaft dort und war schon zweimal zu Besuch gewesen. Während er eifrig erklärte,
welche Teile Brooklyns er gesehen hatte, kam Jamilla Mohammod herein. Sie trug ein arabisches Gewand. Es verhüllte sie nicht vollständig, aber es war so schwarz wie ihr geknotetes Kopftuch. Die unverhüllten Hautpartien ihrer Hände und des Gesichts hatten dieselbe Farbe und Beschaffenheit wie die des Muchtars. Man sah, dass ihr Leben ein ständiger Kampf gewesen sein musste.
Unglücklicherweise sprach Jamilla überhaupt kein Englisch, aber mit der freundlichen Hilfe des Muchtars, der die Sprache ein wenig beherrschte, konnte Jack sich mit ihr unterhalten. Als Erstes wollte er wissen, ob sie Erfahrung als Heilerin hätte. Ihre Antwort lautete ja, aber im Wesentlichen nur mit ihren eigenen acht Kindern, fünf Jungen und drei Mädchen.
Er fragte sie, ob sie jemals krank gewesen sei. Das war sie nicht, aber im vergangenen Jahr war sie in Jerusalem von einem Auto angefahren worden und wegen einiger Knochenbrüche und starkem Blutverlust eine Woche im Hadassah-Hospital gewesen. Danach fragte Jack, ob sie versuchen könnte, seinen Sohn durch Handauflegen vom Krebs zu heilen. Er zog mehrere Hundertdollarscheine aus der Tasche und legte sie auf den niedrigen Tisch. Das würde die Gegenleistung für ihre Bemühungen sein, ließ er übersetzen. Jack nahm JJ aus Lauries Armen und ging zu Jamilla.
JJ war sichtlich erfreut, dass er im Mittelpunkt des Interesses stand. Er gurrte zufrieden, als Jamilla ihm die Hände auflegte. Der Muchtar übersetzte ihre Worte. Von diesem Moment an sollte jede Krankheit den Körper des Jungen für immer verlassen. Jamillas Unsicherheit war deutlich zu spüren, und man merkte, dass sie diese Rolle nicht gewohnt war.
Laurie beobachtete die Szene, und auch sie fühlte sich befangen. Jack hatte ihr von seinem Plan erzählt, und obwohl
sie es etwas peinlich fand, sah sie darin keine Gefahr für ihr Kind. Wenn es für Jack so wichtig war, dann wollte sie ihm nicht im
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