Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
Vom Netzwerk:
Brüder zogen in die Wüste nach Qumran ans Ufer des Toten Meers. Sie haben die Schriftrollen vom Toten Meer übersetzt, und sie waren es auch, die sie versteckten, damit sie den Römern nicht in die Hände fielen. Die Zeloten waren eher eine politische Gruppierung. Ihr Hauptziel war es, die römischen Unterdrücker aus Israel zu vertreiben. Die fanatischsten Mitglieder dieser Gruppe waren die Sikarier, was so viel heißt wie ›Dolchträger‹. Um zu verstehen, was im ersten Jahrhundert vor sich ging, darfst du nicht vergessen, dass zu dieser Zeit eigentlich jeder, außer ihnen selbst natürlich, wollte, dass die Römer aus Palästina abziehen. Dies war auch der Grund für die damals aktuellen Messias-Prophezeiungen. Die Juden hofften auf einen Messias, der sie von den Römern befreien würde. Aber anstatt das zu tun, ließ er sich am Ende sogar kreuzigen. Das war auch der Grund, warum so wenige Juden Jesus als Messias anerkennen wollten.«
    »Okay«, sagte Sana, »aber warum sollten die Zeloten und Essäer den Körper der Jungfrau Maria stehlen? Das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn.«
    »Saturninus bleibt da vage, aber ich verstehe seine Andeutungen so: Wenn die Jungfrau Maria im Jahre
62 n. Chr. gestorben ist und sie auf dem Ölberg beigesetzt wurde, was man ja auch heute noch annimmt, dann kann es sein, dass einige Zeloten, wahrscheinlich die Sikarier, hier eine Gelegenheit gesehen haben, den Hass zwischen Römern und Juden noch mehr zu schüren. Sie wollten eine Revolte anzetteln, und ihnen war es egal, welche Seite damit anfing. Zuvor hatten die Sikarier sich hauptsächlich darauf konzentriert, den Hass der Juden gegen die Römer zu steigern. Darum verbrachten sie die meiste Zeit damit, jüdische Menschen zu ermorden, von denen sie dachten, dass sie mit den Römern entweder gemeinsame Sache machten oder zu sanft mit ihnen umgingen. Ihr Ziel war es jedenfalls, die Juden dazu zu bringen, den Kampf zu beginnen.
    Mit dem Tod von Maria ergab sich dann eine Alternative. Er bot ihnen die Möglichkeit, die Frustration über die Römer mit den religiösen Streitereien in Palästina auf die Spitze zu treiben. Mitte des ersten Jahrhunderts galten die Juden, die Anhänger von Jesus von Nazareth geworden waren, einfach nur als Juden und nicht als Anhänger einer neuen Religion. Dabei kamen sie mit den traditionellen Juden überhaupt nicht aus. Ständig gingen sie aufeinander los, und die Gründe dafür fanden die Römer einfach nur lächerlich. Obendrein gab es auch noch heftige Konflikte der christlichen Juden untereinander. Das war pure religiöse Anarchie, und die Römer waren darüber sehr wütend.«
    »Aber ich kann immer noch nicht verstehen, welche Rolle die Jungfrau Maria dabei spielen soll.«
    »Denk doch mal an die Enttäuschung der Römer. Saturninus erwähnt, dass die Römer glaubten, sie hätten das Problem mit Jesus von Nazareth gelöst, indem sie ihn ans Kreuz geschlagen haben. Aber da irrten sie sich, weil Jesus nicht tot blieb, wie die vielen anderen angeblichen
Messiasse dieser Zeit, die am Kreuz starben. Jesus kam nach drei Tagen zurück, und im Rückblick vergrößerte sich so das Problem, anstatt zu verschwinden. Saturninus deutet an, dass die Zeloten auf Marias Verschwinden drei Tage nach ihrem Tod bauten, um zu behaupten, dass auch sie dem Tod getrotzt habe und nun mit ihrem Sohn vereint sei. Damit würde die Mission von Jesus weiter gestützt. Die Zeloten und die Sakirier stahlen deshalb den Leichnam von Maria genau am dritten Tag und hofften, dadurch die Römer – aus Angst vor eventuellen neuen, religiösen Unruhen wie schon nach der Auferstehung Jesu – zu einer Kurzschlusshandlung zu bewegen. Die Idee war, dass ein brutales Vorgehen der Römer in dieser angespannten Situation Gegengewalt entfachen würde, die zu noch härteren Gegenmaßnahmen der Römer führen würde und so weiter. Saturninus schreibt, dass er nicht weiß, ob der Trick mit dem verschwundenen Leichnam der Jungfrau Maria wirklich funktioniert hat. Auf jeden Fall kam es kurz nach dem Diebstahl zu einer Spirale der Gewalt, die von Monat zu Monat heftiger wurde. Innerhalb weniger Jahre explodierte das Pulverfass Palästina in einer großen Revolte, in der sich alle Juden zusammenschlossen und den Römern Jerusalem und Masada entrissen.«
    »Glaubst du, dass es leicht war, den Leichnam der Jungfrau zu stehlen?«
    »Ich glaube schon. Es gab nach der Kreuzigung erstaunlich wenig Interesse an der Person der Jungfrau Maria. Ihr

Weitere Kostenlose Bücher