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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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präzise.«
    »367 n. Chr. ist etwas sehr Wichtiges passiert.«
    »Der Brief war also mehrere Hundert Jahre lang versteckt. Erst war er wichtig und später dann nicht mehr?«
    »Ja.« stimmte Shawn ihr zu. »Ich kann es mir selbst nicht erklären.«
    »Was passierte denn 367 n. Chr., und warum wurden die Kodizes überhaupt versiegelt und im Sand vergraben?«

    »367 n. Chr. hatte die gnostische Bewegung ihren Höhepunkt erreicht, aber dann begann die orthodoxe Kirche, Druck auf sie auszuüben. Der mächtige Bischof von Alexandria, Athanasius, befahl den Klöstern in seinem Einflussbereich, alle ketzerischen Schriften zu vernichten. Zu diesen Klöstern gehörte auch das in der Nähe des heutigen Nag Hammadi. Es wird vermutet, dass einige Mönche dieses Klosters gegen den Befehl rebellierten und die Schriften nicht vernichteten, sondern versteckten, um sie später wieder zurückholen zu können. Es war ihr Pech, dass das nie geschah, und ihr Verlust ist nun unser Glück.«
    »Und du denkst, dass dieser Brief die Antwort auf einen Brief ist, den Basilides an Saturninus geschrieben hatte?«
    »Daran besteht für mich kein Zweifel, so wie Saturninus hier schreibt. In der Beschreibung seines Meisters und Lehrers, Simon Magus, nimmt er kein Blatt vor den Mund. Basilides muss Saturninus konkret nach seiner Meinung gefragt haben, ob Simon göttlich war, ein wahrer Christ in Jesus Fußstapfen, und ob Simon wirklich die ›große Kraft Gottes‹ besaß oder nicht. Obwohl Saturninus schreibt, dass Simon selbst dachte, er sei göttlich oder zumindest im Besitz eines Funkens von Göttlichkeit, glaubte Saturninus das ganz sicher nicht. Er hielt Simons Magie für Betrug, wofür er, Saturninus, und Simons anderer Assistent, Menander, im Wesentlichen mit verantwortlich waren. Saturninus schreibt außerdem, dass Simon auf die Apostel und deren angebliche Gabe, zu heilen, extrem eifersüchtig war, vor allem auf Petrus. Das ist eine kirchengeschichtliche Tatsache. Es steht nämlich in der Apostelgeschichte, dass Simon versucht hat, sich Petrus’ Fähigkeiten zu erkaufen.« Shawn machte eine Pause, um Luft zu holen, und ergänzte dann mit verächtlichem Lächeln: »Dank Saturninus wissen wir,
dass Simon nach dem ersten misslungenen Versuch nicht aufgegeben hatte.«
    »Was für eine Ironie, dass wir diese außergewöhnliche, historische Information nur der Käuflichkeit einer Person zu verdanken haben.«
    »Allerdings«, lachte Shawn zustimmend. »Und ironischerweise wird mich die gleiche Käuflichkeit in den archäologischen Himmel katapultieren. Belzoni, Schliemann und Carter werden mir nicht das Wasser reichen können.«
    Sana konnte nicht anders, als mit den Augen zu rollen. Shawns scheinbares Selbstbewusstsein, das sie zu Beginn ihrer Beziehung beeindruckt hatte, fand sie nun kindisch und egoistisch, und sie vermutete, dass er unsicherer war, als sie anfangs gedacht hatte.
    Shawn, der ihre Reaktion bemerkte und missverstand, fügte hinzu: »Du glaubst nicht, dass dies eine große Sache ist? Falsch! Sie ist riesig. Und weißt du, wem ich diese Neuigkeit mit dem allergrößten Vergnügen unter die Nase reiben werde?«
    »Keine Ahnung«, sagte sie. Sie war viel mehr daran interessiert, die Diskussion über den Inhalt des schockierenden Briefes weiterzuführen, als über dessen möglichen Effekt auf Shawns Karriere zu spekulieren.
    »Ihrer Eminenz!«, sagte Shawn mit einem Schuss spöttischer Verachtung. »Kardinal James O’Rourke, Bischof der Erzdiözese von New York.« Shawn lachte in heller Vorfreude. »Ich kann es kaum erwarten, es meinem alten Trinkbruder aus Collegezeiten zu berichten, der heute das angesehenste Mitglied des kirchlichen Establishments ist, das ich kenne, und der mir immer endlose Vorträge gehalten hat, um mich auf den richtigen Pfad zu bringen. Es wird mir einen Riesenspaß machen, ihm zu beweisen, dass einer seiner hochnäsigen Päpste, der sich selbst für unfehlbar hielt, so daneben lag. Du wirst sehen!«

    »Oh, bitte!«, spottete Sana. Zu oft schon hatte sie ihren Mann und den Erzbischof nach einem Abendessen in der Residenz des Kardinals bis in die frühen Morgenstunden unsinnige Diskussionen führen hören, vor allem über die päpstliche Unfehlbarkeit. »Ihr zwei werdet niemals einer Meinung sein.«
    »Diesmal habe ich Beweise, dank Saturninus.«
    »Na ja, ich hoffe, ich werde nicht dabei sein«, bemerkte Sana. Sie hasste diese Abende, und sie hatte irgendwann aufgehört, daran teilzunehmen. Einmal hatte

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