Obduktion
klopfte ihn fest. Er konnte die Wand des Tunnels nicht wieder in ihren ursprünglichen Zustand bringen, aber am Ende sah es doch besser aus als erwartet.
Nachdem er die Spuren auf dem Boden beseitigt hatte und sicher war, dass sie nichts hatten liegen lassen, machte er sich eilig auf den Weg zu Sana, die beim Ausgang in der hinteren Ecke der Glasplattform auf ihn wartete. Zusammen stemmten sie das Ossuarium auf Brusthöhe hoch und hoben es dann mühsam auf die Glasplattform.
Unter großer Anstrengung und mit mehreren kleinen Verschnaufpausen setzten sie ihren Weg über die langen Flure Richtung Ausgang fort. Während einer dieser Pausen nahe beim Ausgang der Nekropole fragte Sana: »Weißt du, worüber ich mich am meisten freue?«
»Erzähl!«, sagte Shawn, der die schmerzenden Muskeln seiner Oberarme rieb.
»Darüber, dass der Deckel immer noch komplett versiegelt ist.«
Shawn bückte sich und blickte auf das Ossuarium. »Du hast recht.«
»Wenn der Kasten in Qumran versiegelt wurde und Qumran so trocken ist, wie du gesagt hast, bin ich guter Dinge, dass ich etwas mitochondriale DNA aus dem ersten Jahrhundert darin finden werde.«
»Und noch eine sehr spezielle obendrein, würde ich sagen. Komm, lass uns das Ding in den Kofferraum schaffen.«
Das letzte Stück ihres Weges war besonders nervenaufreibend. Es war kurz vor elf und die Chance, dass sie zwischen dem Büro der Scavi und der Piazza dei Protomartiri Romani, wo das Auto stand, erwischt wurden, war zwar gering, aber nicht unmöglich. Glücklicherweise passierte das nicht. Draußen auf dem Parkplatz trug Shawn das Ossuarium dann allein, damit Sana den Schirm halten konnte. Sie wollte nicht riskieren, dass der Behälter nass wurde. Nicht einmal von außen.
Als sie, die Reliquie sicher im Kofferraum verstaut, am Arco delle Campane an den Wachhäuschen der Schweizergarde vorbeifuhren, war ihnen ein wenig mulmig zumute. Das war aber unnötig. Vielleicht war es der Regen, der die beiden Gardisten davon abhielt, ihre warmen Plätzchen zu verlassen, während Shawn und Sana sich an ihnen vorbei auf den Weg in die dunkle, nasse Stadt machten.
»Also, war doch ganz einfach«, sagte Shawn heiter, der es sich auf seinem Sitz bequem machte. Sana hatte ihren Bauhelm auf und nutzte die Lampe, um den Stadtplan, den sie vom Hotel bekommen hatten, besser lesen zu können. Sie bemerkte nicht, dass er nur scherzte, und entgegnete unwillig: »Das würde ich nicht gerade sagen.« Sie erschauderte, als sie an ihre Panikattacke zurückdachte. Noch niemals zuvor hatte sie so viel Angst gehabt.
»Ich bereue bloß, dass ich mich habe überreden lassen, meinen Hammer und den Meißel dort zu lassen«, versuchte Shawn weiterhin witzig zu sein. Er wusste ganz genau, dass es sein Vorschlag gewesen war.
Sana blickte auf die Silhouette ihres Mannes und kochte
vor Wut. Sie hatte immer noch nicht bemerkt, dass er witzig sein wollte. Wie konnte er nur so unsensibel sein?, wunderte sie sich. Warum ging er das Risiko ein, sie so zu verletzen? Das ergab doch gar keinen Sinn. Vor allem, da sie doch gefunden hatten, wonach sie suchten, und es allen vor der Nase weggeschnappt hatten.
»Wir sollten das Ossuarium öffnen.«
Sanas Wut auf Shawn wurde nahtlos von der Sorge über sein nächstes Vorhaben abgelöst. »Wann willst du das machen?«, fragte sie und fürchtete seine Antwort.
»Das weiß ich noch nicht genau.« Er schaute zu seiner Frau hinüber, weil er sich über ihren Ton wunderte. »Ich werde mir wohl erst einen Drink genehmigen, aber ich möchte schon wissen, ob irgendwelche Dokumente darin sind, und das so bald wie möglich.«
Sana lachte nicht. Auch wenn sie diesmal seinen Anflug von Humor bemerkt hatte, lächelte sie nicht einmal. Sie konnte nichts Lustiges daran finden, das Ossuarium so überstürzt zu öffnen. Im Gegenteil. Sie fürchtete, seine Ungeduld könne ihre Interessen an dem Inhalt des Ossuariums gefährden.
»Wieso macht du so ein langes Gesicht?«, fragte er und hielt die Hand schützend vor seine Augen, weil ihre Stirnlampe ihn blendete.
»Du darfst das Ossuarium nicht öffnen, ehe ich seinen Inhalt biologisch stabilisieren konnte«, platzte es aus Sana heraus, die ihren Helm abnahm und ihn auf den Rücksitz des Autos warf. »Sonst riskieren wir den Verlust sämtlicher DNA.«
»Ach wirklich?«, fragte er ironisch. Er war schockiert darüber, dass sie meinte, sie hätte den ersten Zugriff auf seinen archäologischen Fund. »Ich werde das verdammte Ossuarium
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