Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
Vom Netzwerk:
plötzlich erhob es sich wieder. »Wow!«, murmelte Vinnie. »Auf deine alten Tage wirst du ganz schön empfindlich.«
    »Seit wir am Montag diese Vertebralisdissektion hatten, beschäftige ich mich mit Alternativmedizin, und was ich da erfahren habe, hat mich in der Tat ein wenig angepackt.«
    »Ein wenig?«, fragte Vinnie spöttisch. »Ich würde mal sagen, eher reichlich. Aber ich sage dir was: Ich werde das mit der Akupunktur sein lassen, wenn du dich dann besser fühlst.«
    »Das würde ich«, antwortete Jack. »Ganz besonders dann, wenn du auch noch die Kräuter weglässt.«
    Vinnie beugte sich zu Jack herüber und verdrehte die Augen. »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?« Er war sich nicht sicher.
    »Halb und halb«, sagte Jack. »Aber jetzt lass uns die Autopsie durchziehen.«
    Sie beendeten die Pulmonalembolie fast in Rekordzeit, weil sie beide nicht mehr sehr redselig waren. Als sie fertig waren, meinte Jack: »Tut mir leid, mein Freund. Ich bin wohl eben übers Ziel hinausgeschossen.«
    »Schwamm drüber! Aber wenn du es wiedergutmachen willst, dann versprich mir, dass wir nicht mehr früher mit den Autopsien anfangen als die anderen.«

    »Träum weiter!«, entgegnete Jack, streifte die Handschuhe ab und steuerte zum Waschraum. Jack legte seine Autopsiekleidung ab und ging nach oben in sein Büro. Weil er wegen seines kleinen Ausbruchs im Autopsieraum noch nicht mit sich im Reinen war, schloss er die Bürotür hinter sich zu. Er wollte wenigstens für eine kleine Weile niemanden sehen oder sprechen. Er zwang sich zur Arbeit und diktierte die Berichte für die drei Autopsien, die er gerade gemacht hatte, um kein Detail zu vergessen. Dabei benutzte er die handschriftlichen Notizen, mit denen er sich an bestimmte wichtige Einzelheiten erinnern wollte.
    Nachdem er die Diktate rausgegeben hatte, schaute Jack auf seinen vollen Eingangskorb, aber wie schon in den Tagen zuvor konnte er sich einfach nicht aufraffen, damit anzufangen.
    Stattdessen öffnete er die große Schreibtischschublade und zog einen großen Umschlag heraus, in dem er alles zur Alternativmedizin sammelte. Zurzeit lagen ihm dazu zwölf Fälle von Kollegen vor. Mit Keara Abelard waren es dreizehn und mit dem Kräuterfall von heute Morgen insgesamt vierzehn Fälle.
    Jack hätte mit seinen Fortschritten zufrieden sein können, aber er war es nicht. Denn er war zu der Erkenntnis gelangt, dass die Zahl der Fälle, die er entdecken könnte, ganz gleich, was er auch anstellte, weit unter der Zahl der tatsächlichen Fälle liegen würde. Dafür sprach einiges. Ein Hindernis war die fehlende Digitalisierung des OCME-Archivs, was eine systematische Suche unmöglich machte. Aber selbst wenn das Archiv digitalisiert wäre, gäbe es keinen Schlüssel für alternative Medizin im Allgemeinen oder irgendwelche Zweige der Alternativmedizin im Besonderen. Und selbst wenn er Fälle von VD aufspüren könnte, gab es keine Garantie dafür, dass die Archive
irgendetwas über Chiropraktik hergeben würden, selbst wenn Chiropraktik zur Todesursache beigetragen hätte.
    Bei Fällen, die etwas mit Heilkräutern zu tun hatten, würden die Todesfälle als unbeabsichtigte Vergiftungen aufgeführt sein, wobei das jeweilige Gift als Todesursache angegeben wäre. Heilkräuter wären nur in Ausnahmefällen aufgeführt, aber in der Regel nicht.
    Obwohl Jack noch immer davon überzeugt war, dass es eine gute und durchaus verfolgenswerte Idee war, vor den Risiken der Chiropraktik und anderer Formen alternativer Medizin zu warnen, hatte sein Enthusiasmus durch die praktischen Hindernisse einen ziemlichen Dämpfer erfahren. Vierzehn Fälle in einem unbestimmten Zeitraum reichten nicht aus, um die öffentliche Aufmerksamkeit zu wecken. Als er begonnen hatte, glaubte er noch an einen großen Wurf mit Hunderten von Fällen, die ein paar Tage lang Schlagzeilen machen könnten. Doch er konnte jetzt schon absehen, dass es dazu nicht kommen würde.
    Im selben Maße, in dem Jacks Eifer für seinen Kreuzzug abkühlte, schienen die häuslichen Probleme bedrückender zu werden. Seine unkontrollierten Gefühlsausbrüche — wie die letzte kleine Episode mit Vinnie bewies — waren ein deutliches Anzeichen dafür, dass er ins Straucheln gekommen war. Einen Moment lang wog er ab, ob er sich weiter hinter die Sache mit der Alternativmedizin klemmen und hoffen sollte, das Problem der Nachweise lösen zu können, oder ob er lieber nach einer anderen, fesselnderen Betätigung Ausschau halten

Weitere Kostenlose Bücher