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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Stimmen der Männer und ihre Schritte auf der Plattform hören.
    Während Sana ganz mit ihrer Panikattacke beschäftigt war, kämpfte Shawn mit seinen eigenen Ängsten und überlegte, ob die Werkzeuge wohl so lagen, dass man sie durch die Glasdecke sehen konnte. Ganze zehn Minuten
lang waren die Sicherheitsleute dageblieben, und die gesamte Zeit über war Shawn wahnsinnig vor Angst, man könnte sie entdecken.
    Er fragte sich, was die Männer wohl alarmiert hatte. Es musste der metallene Klang des Hammers gewesen sein, der durch den festen Sand und den Marmor in der Basilika nach oben getragen wurde.
    »Kann ich meine Augen jetzt wieder aufmachen?«, fragte Sana plötzlich und brach so die Stille im Tunnel.
    »Nein! Lass sie zu!«, fuhr er sie an. Das Letzte, was er jetzt brauchte, war eine weitere Panikattacke.
    »Wie lange müssen wir denn noch so liegen bleiben?«, fragte sie mit bebender Stimme. Man konnte sehen, dass sie noch immer mit ihrer Angst kämpfte, aber ehe Shawn antworten konnte, ging das Licht wieder aus und sie lagen im tiefsten Dunkeln.
    »Sind die Lichter wieder aus?«, fragte sie nervös, aber auch ein wenig erleichtert.
    »Ja«, sagte Shawn, »aber lass deine Augen noch so lange zu, bis du die Stirnlampe wieder anmachen kannst.«
    Er robbte langsam rückwärts, um sich aus dem Tunnel zu befreien. Als er draußen war, schaltete er seine Lampe an. Sana folgte ihm und tat dasselbe.
    Zuerst saßen sie nur da und sahen einander an. Shawn war sicher, ihre Panik würde zurückkehren, sobald sie ihre Augen öffnete, aber so war es nicht. Aus dem engen Tunnel erlöst war sie erleichtert genug, um ihre Klaustrophobie in den Griff zu bekommen.
    »Erinnere mich daran, dass ich dich nie wieder mit zu einer Ausgrabung nehme«, sagte Shawn so, als ob es ihre Schuld sei, dass sie beinahe erwischt worden waren.
    »Erinnere du mich lieber dran, dass ich niemals mehr mitgehen werde«, schoss sie zurück.
    Schwer atmend, als hätten sie gerade einen Hundertmeterlauf
hinter sich gebracht, verharrten sie noch ein paar Sekunden auf der Stelle.
    »Lass uns verdammt noch mal endlich von hier verschwinden«, sagte Sana. »Diese Geschichte hier gehört zu den unerfreulichsten Erfahrungen meines bisherigen Lebens. Geh jetzt rein und hol den verdammten Knochenkasten! «
    Nachdem Shawn ihr während des ganzen Theaters zumindest symbolisch die Hand gehalten hatte, wollte er sich jetzt nicht auch noch von ihr herumkommandieren lassen. Mit ihrer Angst klarzukommen, war schlimmer gewesen als die Sorge, sie könnten entdeckt werden.
    »Ich hole das Ossuarium, weil ich es holen will, nicht weil du es mir sagst«, gab er scharf zurück. Er nahm den Eimer und den Meißel und kroch in den Tunnel zurück.
    Sana konnte hören, wie er den Sand rund um das Ossuarium wegkratzte, aber sie selbst hatte nichts zu tun und so spielten ihre Gedanken verrückt. Jetzt, wo der Glasdeckel wieder eingepasst war, unterlag sie vollständig Shawns Gnade, was ihr Gefühl, eingesperrt zu sein, noch verstärkte. Als logische Konsequenz kehrte ihre Panik zurück.
    »Shawn!«, rief Sana über Shawns Ächzen und die Kratzgeräusche hinweg, die aus dem Tunnel drangen. »Wir müssen zurückgehen und den Glasdeckel wieder abheben.«
    »Mach es allein«, rief Shawn zurück und murmelte noch etwas anderes, dessen Bedeutung sie sich nur denken konnte.
    Dass sie die Glastür nicht alleine heben konnte, wie Shawn sehr wohl wusste, machte sie rasend. Aber es hatte auch etwas Gutes.
    Plötzlich wurde ihr klar, dass Wut ihre Platzangst milderte. Je wütender sie auf Shawn war, desto weniger störte
sie der enge Raum. Außerdem fiel ihr ein, dass es ihr im Tunnel geholfen hatte, die Augen zu schließen. Und so tat sie es wieder.
    »Voilà!«, rief Shawn aus dem Tunnel. »Ich hab’s. Es ist draußen.«
    Als würde sie aus einer Hypnose erwachen, schlug sie die Augen auf. Die Befreiung des Ossuariums aus der Wand war gleichzeitig auch ihre Befreiung, denn nun konnten sie bald von hier verschwinden. Sie vergaß ihre Angst und kroch an den Eingang des Tunnels, wo Shawn gerade den Kalksteinkasten aus der Nische zog.
    »Ist er schwer?«
    »Schwer genug«, sagte Shawn brummig und stellte den Kasten ab. Er drehte sich um und schob ihn vor sich her aus dem Tunnel.
    Als sie vor dem Ossuarium hockten und es anschauten, vergaßen die beiden ihre Wut. Shawn wischte mit seiner behandschuhten Hand ehrfürchtig den letzten Sand vom Deckel. Er war überwältigt von dem Gedanken, es

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