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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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manchen Stellen überschwemmt. Na ja, der Straßenzustand ist auch nicht gerade beruhigend. Zudem regnet es munter weiter.
    Wir erreichen Berchtesgaden. Kurze Zeit ist der kleine Bahnhof randvoll mit lärmenden Kindern und gestressten Reisenden. Ich schlängele mich nach draußen. Auch dort herrscht überall Chaos: Hoteltaxis holen Gäste ab, manche Reisende schnappen sich ein Taxi, die Schulklasse nimmt einen weiteren Bus. Als sich der Trubel legt, ist noch immer weit und breit kein Auto zu sehen, das die Aufschrift des Klinikums trägt. Meine genaue Ankunftszeit konnten sie ja auch nicht wissen, denke ich.
    Ich warte.
    Und warte.
    Und nach einer weiteren Viertelstunde denke ich: Vielleicht sollte ich mal wieder anrufen? Oder mir einfach ein Taxi nehmen? Aber was, wenn dann extra jemand kommt und ich schon weg bin?
    Noch ein bisschen warten.
    Irgendwann rufe ich doch an und bekomme die Info, dass ein Wagen unterwegs sei. Gut.
    Nach weiteren zwanzig Minuten verstehe ich es aber echt nicht mehr. Das Klinikum ist meines Wissens höchstens vier oder fünf Kilometer entfernt. So lange kann das nicht dauern! Also rufe ich wieder an, zum zigten Mal, wie es mir vorkommt.
    »Klinikum Schönau, guten Tag.«
    »Hallo, Evelyn Heeg schon wieder.«
    »Ah, Frau Heeg, der Kollege hat sie in Reichenhall nicht gesehen und ist dann mit den anderen Patienten schon gefahren.«
    In Reichenhall, ja, klar, da habe ich mich am Massensprint auf die beiden Busse beteiligt.
    »Ich stehe jetzt in Berchtesgaden. Da müssen wir uns missverstanden haben … « Kein Problem, ich soll einfach ein Taxi nehmen und mir die Rechnung geben lassen.
    Ich lege auf. Unglaublich, die Dame am Telefon war immer noch freundlich, trotz dieser Neverending Story.
    Der Taxistand vor dem Bahnhof Berchtesgaden ist gerade leergefegt. Aber das sollte kein Problem sein. Die Rufnummer steht fett an der Wand, da melde ich mich einfach an. Keine fünf Minuten später ist ein Taxi da, der Fahrer packt meine große Radtasche ohne Murren ein, alles ganz easy. Ich lasse mich in die Ledersitze fallen und schnaufe durch. Jetzt nur noch einchecken.
    Die Klinik liegt auf einer kleinen Anhöhe inmitten der Ortschaft Schönau am Königssee. Das weitläufige Gebäude ist keine Schönheit, aber wirkt hell und freundlich. Vor allem die Abteilung für Privatpatienten ist nett eingerichtet, ein schöner Ohrensessel steht an der Balkontür, und aus dem Fenster blickt man über die Weiden Richtung einer kleinen Bergkette, die wegen ihrer Form »Schlafende Hexe« genannt wird. Das alles kann ich im Moment noch nicht so richtig genießen, denn hier in meinem neuen Domizil liege ich erst mal auf dem Bett und bin total erledigt. Eigentlich hätte ich direkt zum Abendessen gehen sollen. So hat es mir die Dame am Empfang aufgetragen. Aber nach dem ganzen Stress ist das so ziemlich das Letzte, worauf ich jetzt Bock habe. Ich will erst mal kurz meine Ruhe! Nach einer Viertelstunde raffe ich mich dann auf und gehe hinunter in den Speisesaal, der bald schließen wird. Das Essen ist eine freudige Überraschung, es gibt überbackenen Camembert mit Preiselbeeren, das habe ich schon ewig nicht mehr gegessen. Ich sitze mit drei Frauen an einem Tisch. Die Kommentare über das Essen sind das übliche Frotzeln von Frauen: Alles viel zu fettig. Ich sage nichts, finde es aber total lecker.
    Beim Essen schaue ich mir meine Tischgenossinnen etwas genauer an und komme ins Grübeln: Sind das Patientinnen – oder Angestellte hier im Haus? Für Patientinnen sind sie echt noch jung. Eine meiner Befürchtungen war, dass ich in einer Kurklinik absolut die Jüngste sein würde. Aus den Gesprächen höre ich schließlich heraus, dass es Patientinnen sein müssen. Außerdem sind sie fröhlich. Aber was erwarte ich eigentlich? Erstens sind hier auch noch andere Abteilungen neben der psychosomatischen. Und zweitens darf man doch als psychosomatischer Patient auch fröhlich sein, oder? Na ja, ich bin ja schon hier, weil mir das Lachen ziemlich vergangen ist.
    Nach dem Essen mache ich mich auf den Weg zurück zur Rezeption, wo ich noch mein verpacktes Fahrrad abgestellt hatte, als mich eine junge Frau anspricht: »Hallo, ich bin Sina. Ich bin seit fünf Wochen hier und bin deine Patin. Ich zeige dir das Haus, und wenn du Fragen hast, bin ich jederzeit für dich da.«
    Jetzt verstehe ich, was der Name der Patin auf meinem Aufnahmeformular eigentlich sollte.
    »Willst du erst mal ankommen, und wir treffen uns in einer halben

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