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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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ich möchte halt trotzdem möglichst schnell weg. So sitze ich zu Hause, während ich in der Schule gebraucht werde. Das ist ein ziemlich blödes Gefühl. Wenn ich in der Klink wäre, dann wäre das alles klarer.«
    »Okay, ich verspreche Ihnen, dass ich mich noch heute Abend darum kümmere.«
    Ja, eigentlich sollte ich gerade in der Schule sein. Das ist schon verdammt weit weg. Dabei habe ich noch nicht einmal mit meinem Chef gesprochen.
    Zu Hause rufe ich gleich nochmal in der Klinik an – mit einer anderen Taktik: Ich berichte, dass der Antrag bereits läuft und dass die Genehmigung nicht lange dauern wird, da es sehr dringend sei. Kleine Notlüge.
    »Alles klar, Frau Heeg, ich notiere mir Ihre Daten und setze Sie auf die Warteliste. Dann bekommen Sie von uns Bescheid, sobald ein Bett frei wird.«
    »Und wie lange dauert das?«
    »Das kann schon nächste Woche sein, kann aber auch noch einige Tage dauern.«
    Mit einem Gefühl der Erleichterung lege ich auf. Vielleicht schon nächste Woche – das ist doch eine gute Nachricht.
    Am Nachmittag läutet das Telefon in einer Tour. Das war ja klar, so kurz vor dem Schullandheim wollen die Eltern wissen, was mit der kranken Klassenlehrerin los ist. Was soll ich ihnen sagen? Ich weiß ja selber nicht, wie alles geregelt sein wird. Klaus hat mich in der Schule als krank abgemeldet und durchgegeben, dass ich für das Schullandheim ausfalle. Mein Anruf beim Chef steht noch bevor, ich konnte ihn vorhin in der Schule nicht erreichen.
    Mit Tino vereinbare ich, dass er alle Elternanrufe erst mal abwimmelt. Ich bin nicht zu sprechen, schließlich bin ich krank. Wie das klingt: »Ich bin krank.« Na ja, eigentlich bin ich es ja auch. Es klingelt wieder, Tino hält mir den Hörer fragend hin, es ist eine Kollegin.
    »Evelyn, es ist alles geregelt, die Unterlagen fürs Schullandheim gibst du Peter mit, der wohnt ja bei dir um die Ecke, wir haben das hier schon organisiert.«
    Das ist toll, ich bedanke mich bei ihr. »Ist denn die Klasse schon informiert?«
    Aber das weiß die Kollegin nicht.
    Wir reden noch eine Weile über das Organisatorische, aber es kommt kein Vorwurf, was mich überrascht. Irgendwie hatte ich damit gerechnet, schließlich bereite ich meinen Kollegen gerade eine Menge Scherereien. Jemand anderes muss super kurzfristig mit auf Klassenfahrt, die Notenabgabe für mich muss umorganisiert werden, ganz zu schweigen von den ganzen Vertretungsstunden, die jetzt anfallen. Da ich die Kollegin auch privat etwas kenne, erzähle ich ihr, wie es zu meinem Entschluss gekommen ist, und sie reagiert sehr positiv und verständnisvoll.
    »Hast du schon mit dem Chef geredet?«, will sie noch wissen.
    »Ich habe ihn in der Schule nicht mehr erreicht.«
    »Ruf ihn doch heute Abend privat an.«
    »Ist das denn okay?«
    »Ich glaube schon.«
    Ich lege auf und bin froh, dass sie so reagiert hat. Das macht mir Mut für das Gespräch mit meinem Rektor, obwohl der sicher ebenfalls Verständnis haben wird. Also erst einmal die ganzen Unterlagen in den Briefkasten zu dem Kollegen, der ein paar Straßen weiter wohnt. Es ist richtiggehend erleichternd, die Sachen einzuwerfen. Immer wieder schießt mir der Gedanke durch den Kopf: »Was die jetzt von mir denken?« Aber hauptsächlich fällt Spannung von mir ab.
    Die letzte Hürde, der Anruf bei meinem Chef, ist keine große Sache mehr. Ich erreiche ihn direkt, erkläre ihm mein Vorhaben, mich in stationäre Behandlung zu begeben. Er fragt auf eine sehr verständnisvolle Art nach. Wieder keinerlei Vorwürfe. Das ist schon eine neue Erfahrung für mich. Schließlich war das immer die Reaktion meines Vaters gewesen, wenn ich einen Fehler gemacht hatte oder sonstwie »versagt« hatte: Vorwürfe, Brüllerei und später sogar Ohrfeigen. Das alles steckt anscheinend noch tief in mir drin. Egal, das Schuljahr wird nun tatsächlich ohne mich zu Ende gehen. Ich werde die Notenlisten richten, die Klassenarbeit auf meinem Schreibtisch noch korrigieren, den Stand im Stoffverteilungsplan mitteilen – und ansonsten erst mal nach mir schauen.

    Geschafft, ich sitze im Zug nach Schönau. Vergangene Woche kam endlich die Nachricht, dass ein Bett frei ist. Oder besser gesagt ein ganzes Zimmer. Bewilligt sind sechs Wochen. Sechs Wochen!
    So kann ich genau zwei Wochen nach meinem Entschluss tatsächlich auf die lange Reise nach Oberbayern gehen. Es ist an sich schon sehr seltsam, für anderthalb Monate auf Kur zu fahren. Zusätzlich habe ich mein Mountainbike bei

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