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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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nur Honigbrote, da kommt auch Omas Marmelade nicht gegen an. Trotzdem deckt sie mich weiterhin ein, ganz wie zu WG-Zeiten. Das lässt sie sich nicht nehmen. Und ich lasse mich auch nicht lange bitten. Mein Hintergedanke ist immer: Marmelade hält sich sehr lange, es schadet nicht, da zu viel zu haben, wer weiß, wie lange es noch Nachschub gibt.
    Oma klappt die Kühltruhe auf und zieht einen gefrorenen Rührkuchen heraus.
    »Komm, nimm den auch noch«, sagt sie, obwohl ich schon unter der Last der Marmeladengläser schwanke. »Ich komme noch mit zum Auto!«
    Sie kann noch so kaputt sein oder Schmerzen haben, wir werden immer zum Auto begleitet. Sie wartet, bis wir alles verstaut haben, um dann so lange zu winken, bis wir am Ende der Straße verschwinden.
    Nach dem Abschied fahren wir eine Weile schweigend über die Autobahn Richtung Freiburg. Es dämmert. Ich muss das alles verdauen, die ganzen Emotionen, die da hochgekommen sind. Das Leben in Zeitrafferformat. Mit all den Freuden und Leiden. Und auch das ganze Leben, das nicht stattgefunden hat, weil meine Mutter und ihre Schwestern so früh gestorben sind. Irgendwie ist aber auch traurig, dass bisher niemand von uns Enkeln bei Oma danach gefragt hat. Oma scheint es als unsere Aufgabe verstanden zu haben, danach zu fragen. Tatsächlich ist sie aber auch nie auf uns zugekommen oder hat einfach erzählt. Manchmal denke ich, dass sie eben kein besonders gutes Selbstbewusstsein hat.
    Auch Tino ist schweigsam. Aber die Sache mit Omas Schwester beschäftigt ihn.
    »Hast du gewusst, dass deine … Großtante auch so jung an Brustkrebs gestorben ist?«, fragt er schließlich.
    »Nein, das wusste ich nicht«, sage ich.
    »Aber das heißt doch, dass es ziemlich sicher eine erbliche Form ist.«
    Das ist mir schon klar. Ich bin schließlich Biologielehrerin. Diese ganze Vererbungssache ist mir also nicht fremd. Außerdem: Es hat so viele Frauen bei uns gekostet, natürlich hat das eine erbliche Komponente. Eigentlich wusste ich das schon als Gymnasiastin. Und schon damals hatte mich die Mutter eines Freundes darauf angesprochen, dass man inzwischen einen Gentest machen lassen kann. Das erzähle ich Tino.
    »Aber was kann man machen, wenn du … genetisch belastet bist, oder wie immer das auch heißt?« Er schaut kurz zu mir herüber.
    »Ich habe dir das doch schon mal gesagt: Man kann die Brust amputieren.«
    »Stimmt. Das hatte ich wohl verdrängt.«
    In meiner Vorstellung kann ich jetzt vielleicht noch drei Jahre im Beruf Fuß fassen, schließlich ist das Referendariat erst seit zwei Jahren vorbei. Dann ein Kind bekommen, das ich noch selber stillen kann, und vielleicht sogar noch Nummer zwei hinterherschieben. Dann wäre der DNA-Test an der Reihe, und je nach Ergebnis eine Amputation mit Wiederaufbau. Ich habe gehört, dass das inzwischen ganz gut geht, zumindest hat mir das mal eine Frauenärztin erzählt.
    Wir sprechen nicht zum ersten Mal darüber, seit wir uns kennen. Aber hier im Auto, nach dem Besuch bei Oma, hat es zum ersten Mal einen dringlicheren Charakter. Es fühlt sich plötzlich auch für Tino so an, als ob es bald Wirklichkeit werden könnte.
    »Und dann mit eigenen Muskeln wieder aufbauen«, ergänze ich. Das ist der Stand meines Wissens, schiebe ich hinterher.
    »Woher kommen die Muskeln?«
    »Soweit ich weiß vom Rücken.«
    Inzwischen ist es dunkel geworden, wir verlassen die Autobahn hinter Bad Dürrheim und fahren die letzten fünfzig Kilometer über die Landstraße, vorbei an Neustadt und Hinterzarten.
    »Wann willst du den Test machen?«
    Tino nimmt den Gesprächsfaden wieder auf, während wir ins Höllental hinabfahren. Ich bin achtundzwanzig Jahre alt, im Oktober werde ich neunundzwanzig. Meine Schallgrenze sind die dreißig, danach »will« ich mich darum kümmern. Bis dahin ist das Risiko sehr gering, so dachte und denke ich noch immer. Als ich nach dem Grundstudium nach Freiburg kam, habe ich meinen neuen Frauenarzt damals gleich informiert über die Häufung von Brustkrebs in meiner Familie, weshalb ich nun jährlich eine Mammographie und zweimal Ultraschall über mich ergehen lasse. Ich fühle mich sehr sicher, deshalb kann ich Tinos Bohren nicht nachvollziehen.
    »Das hat doch alles noch Zeit«, sage ich.
    Aber das scheint ihn nicht zu überzeugen.

EINE HOCHRISIKOFAMILIE
    Nein, das überzeugte mich damals tatsächlich nicht. Dieses eindrucksvolle Interview mit Oma hatte mir einiges klargemacht. Nicht nur, dass auch Evelyns Großtante an

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