Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oberst Chabert (German Edition)

Oberst Chabert (German Edition)

Titel: Oberst Chabert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
ihm vorgestreckt hatte und sagte bloß: »Warum kamen Sie nicht nach Paris, sie hätten da ebenso billig leben können, hätten es aber um so viel besser gehabt.«
    »Aber,« meinte der Oberst, »die guten Leute, bei denen ich jetzt bin, haben mich seinerzeit aufgenommen, haben mich ein Jahr ohne Entgelt verpflegt. Sollte ich sie verlassen, als ich ein wenig zu Gelde kam? Und dann ist der Vater der drei Jungen ein alter Ägypter ...«
    »Wie, ein Ägypter?«
    »Ja, wir nennen die alten Troupiers so, die den Feldzug in Ägypten mitgemacht haben. Ich war auch dabei. Wir alle, die dort waren, sind uns Brüder, und nun gar Vergniaud, der in meinem Regiment gedient hat. Wir haben den letzten Tropfen Wasser in der Wüste geteilt. Und dann habe ich auch den drei Lausejungen das Lesen und Schreiben noch nicht völlig beigebracht.«
    »Nun, dann hätte er Sie doch ein wenig besser unterbringen können, für Ihr Geld.«
    »Ach was,« sagte der Oberst, »seine Kinder schlafen auf der Streu nicht anders als ich. Seine Frau und er haben auch kein besseres Lager. Es sind arme Leute, so ist es nun einmal. Sie haben eine Sache angefangen und die geht über ihr Vermögen. Aber, wenn ich meine Güter erst wieder einmal habe, alles ... Na ja, Schluß.«
    »Oberst, morgen oder doch bald soll ich Ihre Akten aus Heilsberg bekommen. Ihre Wohltäterin lebt noch.«
    »Verdammtes Geld! Daß ich nie genug habe,« rief der Oberst und schleuderte seine Pfeife auf den Boden.
    Eine schön angerauchte Pfeife ist etwas wertvolles für einen Raucher. Aber diese Bewegung kam ihm so von Herzen, es lag so viel Noblesse in ihr, daß alle Raucher und selbst die Tabakregie ihm diese Verletzung der heiligen Tabakmajestät verziehen hätten. Engel hätten die Stücken aufheben müssen ...
    »Oberst, Ihre Sache ist verwickelt über alle Maßen«, sagte Derville. Er verließ das Zimmer, um draußen in die Sonne zu gehen.
    »Mir erscheint sie das einfachste auf der Welt«, sagte der alte Soldat. »Man hat angenommen, ich sei tot. Aber ich lebe. Ich bin da. Man gebe mir meine Frau zurück, mein Geld. Man gebe mir den Rang eines Generals, der mir gebührt, denn ich bin am Vorabend der Schlacht bei Eylau in die nächsthöhere Rangklasse gerückt.«
    »So einfach gehen die Dinge nicht in der Welt des Rechts vor sich«, sagte Derville. »Hören Sie mich ruhig an. Sie sind der Oberst Chabert, ich bin gern damit einverstanden, aber es handelt sich darum, eben dieses Faktum formell Leuten zu beweisen, die das stärkste Interesse daran haben, Ihre Existenz zu leugnen. Was ist zu tun? Ihre Protokolle werden angestritten werden. Das heißt, die Vorfragen, zehn oder zwölf an der Zahl, müssen vorerst im Feststellungsverfahren beantwortet werden. Alle kommen sie im Berufungswege bis an den obersten Gerichtshof, das heißt, es werden ebensoviel kostspielige Prozesse geführt werden müssen, die sich in die Länge ziehen, ich mag so viel Tempo hereinbringen, als ich nur kann, es geht seinen Weg. Ihre Gegner werden einen Lokalaugenschein und eine Personenprüfung verlangen. Widersetzen können wir uns nicht. Möglicherweise muß man den Lokalaugenschein in Preußen vornehmen. Aber setzen wir die günstigere Eventualität, rechnen wir damit, daß das Gericht ohne weiteres anerkennt, Sie seien der Oberst Chabert. Können wir wissen, wie sich die Justiz zu der in gutem Glauben eingegangenen Doppelehe der Gräfin Ferraud stellt? In Ihrer Sache ist der entscheidende Punkt außerhalb des geschriebenen Rechts. Urteilen läßt sich da nur nach der Stimme des Gewissens und des Gefühls, wie das Geschworenenkollegium urteilt, das in den bizarren Rechtssachen gewisser Strafprozesse sein Votum nach dem Herzen abgibt. Das sind eben Grenzfälle. Sehen Sie, Sie haben keine Kinder aus Ihrer Ehe, das neue Ehepaar hat deren zwei. Es ist möglich, daß das Gericht jenes Eheband als aufgelöst erklärt, bei dem sich die geringeren Bindungen befinden, zugunsten jenes Ehebandes, wo die stärkeren sind, alles unter der Voraussetzung von Treu und Glauben bei allen Beteiligten. Wären Sie wohl in einer guten moralischen Position, wenn Sie, in ihrem Alter und unter den eben bestehenden Voraussetzungen auf Biegen und Brechen Ihren Anspruch auf eine Frau durchfechten wollten, die Sie nicht mehr liebt? Dann stünden auf der Gegenseite Ihre Frau und ihr Mann, zwei einflußreiche Personen, die ihren Einfluß auf den Gerichtshof auch geltend zu machen verstehen. Der Rechtsstreit hat daher Elemente, die

Weitere Kostenlose Bücher