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Oberst Chabert (German Edition)

Oberst Chabert (German Edition)

Titel: Oberst Chabert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Wertsteigerung von Grund und Boden, die sich in Paris für einen findigen Kopf während der ersten drei Jahre der Restauration ergab, ließ er im Interesse der Gräfin ungenutzt vorübergehen. So konnte er das Vermögen seiner Schützerin verdreifachen, und zwar um so leichter, als der Gräfin kein Mittel zu gewagt war, wenn sie nur ihr Vermögen schnell um Unsummen vermehren konnte. Sie verwendete das Beamteneinkommen ihres Mannes zur Führung des Haushaltes, um ihre eigenen Einnahmen kapitalisieren zu können. Delbecq gab sich zu allen Schlichen einer maßlosen Habsucht her, ohne sich über die tieferen Beweggründe klar zu werden. Denn diese Art Mensch kümmert sich nur um Geheimnisse, deren Schlüssel ihnen irgendwie wertvoll werden kann. Im übrigen fand der Anwalt das Motiv der nackten Habsucht und des wütenden Durstes nach Gold so verbreitet unter fast allen Pariserinnen, und dann bedurfte es eines so immensen Vermögens, um die ehrgeizigen Ansprüche des Grafen nach allen Richtungen zu fördern, daß Delbecq bisweilen in der Habsucht der Gräfin nur ihre Methode sah, für den Mann zu arbeiten, dem sie sich von Grund ihres Herzens gegeben hatte und weiter gab. Die Gräfin aber verbarg ihre Geheimnisse vor jeder Menschenseele. Auf dem Grunde ihres Herzens lagen die Schicksalswürfel, Tod und Leben, und da ist auch der Punkt, von wo aus der Knoten dieser Erzählung sich entwirrt.

Zu Anfang des Jahres 1818 stand die Restauration auf scheinbar unerschütterlichen Grundlagen da. Ihre Regierungsprinzipien, von erhabenen Geistern zusammengefaßt, schienen für das Reich eine Zeit neuer Blüte einleiten zu sollen, und in diesem Sinn änderte sich auch der Charakter der Pariser Gesellschaft. Die Gräfin Ferraud befand sich nun in dem sonderbaren Falle, zugleich eine Liebes-, eine Verstandes- und Namensehe geschlossen zu haben. Sie war noch jung und schön, sie war eine Weltdame, bewegte sich am Hofe, war reich aus eigenem Vermögen nicht weniger als durch den Besitz des Gatten, der, auserwählt und berufen unter den Männern der Königspartei, und persönlich mit dem Monarchen befreundet, wie geschaffen schien für ein Ministerium. Zu allem anderen zählte sie zur Aristokratie und genoß deren Glanz mit. Mitten in ihrem Glück traf sie eine Art moralischer Krebskrankheit. Es gibt Regungen des Gefühls, die eine Frau von weitem ahnt, mag der Mann auch alle Mühe daransetzen, sie vor ihr zu verbergen. Als der König zum erstenmal zurückkehrte, konnte sich der Graf eines leisen Bedauerns über seine Ehe nicht erwehren. Die Witwe des Obersten Chabert konnte ihm keine wichtige Verbindung schaffen, er stand allein und ohne Stütze da in einer dornenvollen, an Widersachern überreichen Laufbahn, ohne sich der sicheren Leitung eines Menschen anvertrauen zu können. Möglicherweise hatte er auch, bei näherem Zusammenleben, einige Lücken in der Erziehung seiner Frau bemerkt, die sie erst recht unfähig an einer aktiven Mitwirkung an seinen Plänen machen mußten. Ein Wort, das er zufällig einmal über die Ehe Talleyrands fallen ließ, gab der Gräfin Licht über die Lage, denn er hatte angedeutet, ohne es in Worten gradaus zu sagen, daß er, stünde er noch einmal vor der Wahl einer Gattin, anders wählen würde. Welche Frau wird jemals ein solches Bedauern verzeihen? Ist dies nicht schlimmer als alle Beleidigungen, alle Verbrechen, enthält es nicht den Keim der Zurückweisung? Aber wie tief mußte diese Wunde im Herzen der Gräfin werden, wenn sie bedachte, es könne ihr erster Gatte zurückkehren! Kann man das ermessen? Sie hatte gewußt, daß er lebte, sie hatte ihn zurückgestoßen. Dann kam eine Zeit, da hörte sie nichts mehr von ihm. Sie wiegte sich in dem Wahn, er sei bei Waterloo mit den Adlern und Standarten der kaiserlichen Garde untergegangen wie sein Freund Boutin. Trotzdem legte sie es darauf an, den Grafen durch das stärkste Band zwischen Menschen zu fesseln: durch die Kette aus Gold. Sie wollte so reich werden, daß allein schon ihr unermeßlicher Besitz die zweite Ehe unlösbar machte, falls zufällig der Oberst Chabert noch einmal auftauchen sollte. Und er war auch aufgetaucht: sie konnte es sich nicht erklären, warum der gefürchtete Zweikampf noch nicht begonnen hatte. Vielleicht hatten Kummer, Krankheit und Sorgen sie doch von diesem Manne befreit. Vielleicht war er halb irrsinnig, und nur die Irrenanstalt konnte ihn zur Vernunft bringen. Sie wollte weder Delbecq noch die Polizei auf seine Spuren

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