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Oberst Chabert (German Edition)

Oberst Chabert (German Edition)

Titel: Oberst Chabert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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keine Lust, sein Eheband zu lösen, und ich will gern glauben, daß er Sie anbetet, aber lassen Sie erst einen kommen, der ihm sagt: ›Ihre Ehe kann gelöst werden, denn Ihre Frau wird in der öffentlichen Meinung als Verbrecherin dastehen ...‹«.
    »Er wird mich verteidigen.«
    »Nein, das wird er nicht.«
    »Und aus welchem Grunde sollte er mich preisgeben?«
    »Um die einzige Tochter eines Pair de France zu heiraten. Denn dann könnte er durch eine königliche Ordonnanz selbst Pair werden.«
    Die Gräfin wurde sehr bleich.
    Jetzt haben wir sie, dachte der Anwalt. Schön, nun halte ich dich, und die Sache des armen Obersten gewinnt.
    »Und dann,« setzte er laut fort, »der Graf Ferraud hätte um so weniger mit Gewissensbissen zu kämpfen, als ein Mann, mit Ehre gekrönt, General, Graf, Großritter der Ehrenlegion, kein schlechter Ersatz für den Grafen Ferraud sein müßte. Und wenn dieser Mann seine Frau zurückverlangt...?«
    »Genug, genug, mein Herr! Sie sind und bleiben mein Anwalt«, sagte sie. »Was nun?«
    »Vergleichen«, sagte Derville.
    »Liebt er mich noch?« antwortete sie.
    »Kann es anders sein?«
    Bei diesem Wort hob die Gräfin den Kopf. Ein Hoffnungsschimmer leuchtete in ihren Augen. Sie rechnete vielleicht darauf, die Zärtlichkeit des ersten Mannes irgendwie auszuspielen und durch Weiberlist den Prozeß zu gewinnen.
    »Ich werde Ihre Befehle erwarten, Frau Gräfin. Ich muß wissen, ob Sie unsere Akte unterzeichnen wollen, oder ob Sie zu mir kommen wollen, um die Grundlagen eines Vergleichs zu bestimmen.« Nun grüßte er und ging.
    Acht Tage nach diesen zwei Besuchen, an einem schönen Junimorgen, kamen die zwei Gatten, die ein fast übernatürliches Geschick geschieden, von den entgegengesetztesten Punkten von Paris einander entgegen, um sich im Bureau ihres gemeinsamen Anwalts zu begegnen. Der reichlich gegebene Vorschuß Dervilles hatte es Chabert gestattet, sich nach seinem Rang zu kleiden. Der Tote kam in einem sehr anständigen Wagen angefahren. Seinen Kopf bedeckte eine Perücke, die seinem Gesichtsschnitt angepaßt war, sein Anzug war von schönem Blau. Er hatte weiße Wäsche an und trug unter seiner Weste das rote Band der Großritter der Ehrenlegion. Während er seine alten Gewohnheiten des Wohlstands auffrischte, fand er auch seine Soldateneleganz wieder. Sein Gesicht, ernst und voller Geheimnisse, aber mit Spuren von Glück und Hoffen, schien jünger und voller, er ähnelte nicht mehr dem alten Militärfilz, so wenig ein alter Pfennig einem frisch geprägten Goldstücke ähnelt. Leicht hätten die Leute auf der Straße in ihm eine der schönsten Ruinen der alten Armee erkannt, einen Helden, in dessen Gestalt sich unsere nationale Ehre widerspiegelt und in dem sie ganz zur blendenden Erscheinung geworden ist, wie noch ein Stück Eis alle Sonnenstrahlen funkelnd bricht. Er hielt sich aufrecht. Die alten Soldaten sind alle wie aus Büchern oder Bildern geschnitten. Als der Graf seinen Wagen verließ, um zu Derville zu gehen, bewegte er sich mit dem leichten Schwung der kräftigsten Jugend. Kaum hatte er sein Coupé gewendet, als ein schöner Wagen mit einem großen Wappen ankam. Die Gräfin Ferraud entstieg ihm in einer einfachen Toilette, die aber vorteilhaft ihre schlanke Taille offenbarte. Sie hatte einen hübschen rosa unterfütterten Hut auf, der scharmant ihr Gesicht umrahmte, die Konturen dämpfte und alles verjüngte.
    Wenn sich auch die Klienten verjüngt hatten, das Bureau blieb dasselbe und zeigte das gleiche Bild, mit dem diese Erzählung begonnen hat. Simonnin war beim Frühstück, seine Schultern lehnten am Fensterrahmen, er sah sich durchs Fenster das Himmelsblau an, das von vier Mauern des Hofes düster eingerahmt war.
    »Ah,« rief der Laufbursche, »wer will um einen Sitz im Theater wetten, daß der Oberst Chabert General und Ordensritter ist?«
    »Der Chef ist ein fabelhafter Hexenmeister«, sagte Godeschal.
    »Können wir ihm also heute keinen Streich spielen?« fragte Desroches.
    »Seine Frau tut es, die Gräfin Ferraud«, sagte Boucard.
    »So kommt's,« meinte Godeschal, »daß eine Frau zwei Männern wird dienen müssen ...«
    »Hier sind sie«, antwortete Simonnin.
    In diesem Augenblick trat der Oberst ein und verlangte Derville.
    »Er erwartet Sie, Herr Graf«, sagte Simonnin.
    »Du bist also nicht taub, kleiner Schelm«, sagte Chabert und ergriff den Hans Dampf in allen Gassen am Ohr und beutelte ihn tüchtig, sehr zur Freude der Schreiber, die mitten im

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