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Oberst Chabert (German Edition)

Oberst Chabert (German Edition)

Titel: Oberst Chabert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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...«
    Die Gräfin wurde blaß wie die Wand. Als er sie unter ihrer Schminke erblassen sah, kam dem alten Soldaten zu Bewußtsein, daß er eine Frau beleidige, für die er einst Feuer und Flamme gewesen, er faßte sich und hielt inne. Aber er empfing einen so giftgetränkten Blick, daß er fortfuhr: »Sie waren damals bei der ...«
    »Ich bitte Sie sehr, Herr Anwalt,« sagte die Gräfin, »Sie werden es entschuldigen, wenn ich Sie verlasse. Ich bin nicht hergekommen, um mir solche Scheußlichkeiten anzuhören.«
    Sie erhob sich und ging. Derville stürzte ihr nach, aber sie war wie fortgeflogen. Als er in sein Kabinett trat, fand der Anwalt den Obersten in einem Wutanfall mit Riesenschritten hin und her gehen.
    »Damals nahm man sich seine Frau, wo man sie fand. Ich hätte besser wählen sollen, es ist meine Schuld. Was soll mir das schöne Gesicht? Sie hat kein Herz.«
    »Aber, Herr Oberst, hatte ich nicht recht, als ich Sie bat, nicht zu kommen? Wohl bin ich jetzt überzeugt von Ihrer Identität. Als Sie da hervorkamen, ging in der Gräfin eine Bewegung vor sich, die alles sagte. Aber Sie haben Ihren Prozeß verloren, denn jetzt weiß Ihre Frau, daß Sie nicht wiederzuerkennen sind.«
    »Ich schlage sie tot.«
    »Unsinn! Dann faßt man Sie und köpft Sie wie einen Halunken. Übrigens würden Sie den Todesstreich verfehlen. Und man darf nie seine Frau verfehlen, wenn man sie töten will. Das wäre nicht zu verzeihen. Sie großes Kind, lassen Sie mich Ihre Tolpatschigkeiten wieder gutmachen. Gehen Sie jetzt. Aber passen Sie gut auf. Sie wäre durchaus imstande, Ihnen Fallstricke zu legen und Sie ins Irrenhaus zu bringen. Ich will ihr unsere Akten vorlegen, das schützt uns am besten vor jeder unliebsamen Überraschung.«
    Der arme Oberst gehorchte seinem jungen Wohltäter und entfernte sich, Entschuldigungen stotternd. Langsam stieg er die Stufen der dunklen Treppe hinab, verloren in düstere Gedanken, unter der Last neuer Sorgen, mit einer frischen Wunde, die ihn um so schmerzlicher traf, als sie die innerste Wurzel seiner Seele verletzt hatte. Da hörte er das Rascheln eines Frauenkleides, und an der untersten Stufe der Treppe erschien seine Frau.
    »Kommen Sie, mein Herr«, sagte sie und nahm seinen Arm mit einer Gebärde unbeschreiblicher Vertraulichkeit, wie sie nur Menschen kennen, die einmal sehr gut miteinander gewesen sind. Diese Bewegung der Gräfin, der Tonfall ihrer Stimme, der wieder anmutig und fein geworden war, war das nicht genug, um dem Obersten die Ruhe wiederzugeben? Und so ließ er sich zu ihrem Wagen führen.
    »Bitte, steigen Sie ein«, sagte sie, als der Bediente den Wagentritt herabgelassen hatte.
    »Wohin, gnädigste Gräfin?« fragte der Diener.
    »Nach Groslay«, sagte sie.
    Die Pferde setzten sich in Gang und nun ging es quer durch ganz Paris.
    »Mein Herr«, sagte die Gräfin zum Obersten und der bloße Klang ihrer Stimme ließ Gefühle in ihm wach werden, die im Leben eines solchen Mannes sich nie wiederholen und um derentwillen man lebt.
    In diesen Stunden bebt alles: Herz, Nerven, Fibern, Gesicht, Seele und Körper, alles zittert, alles ist in tiefster Bewegung. Das Leben, das Dasein scheint nicht mehr in unserem Innern beschlossen, es strömt aus uns reich hervor, sprudelt und sprüht, es teilt sich mit wie ein Hauch, es setzt sich fort, im Blick, in der Betonung eines Wortes, in jeder Gebärde, so wirkt unser Wollen bestimmend, zwingend auf den andern neben uns. Der alte Soldat zitterte wie Espenlaub bei dieser schrecklichen Anrede: mein Herr! Aber bedeutete dies denn nicht auch eine Bitte, einen Vorwurf, ein Hoffen und Verzweifeln, Fragen und Antworten? Man konnte alles mit diesem einen Worte sagen. Nur eine Komödiantin konnte so viel Überredung in ein paar Silben fassen, so viel Gefühle in einen Ton zwingen. Die Wahrheit, die Echtheit ist nicht so reich in ihrer Ausdrucksfähigkeit, sie kann nicht alles nach außen umsetzen, aber sie läßt ahnen, was im Innern vorgeht.
    Der Oberst schämte sich tief seines Verdachtes, seiner Forderungen, seines Zornes gar, er senkte seine Blicke, damit man seine Verwirrung nicht erkenne.
    »Mein Herr,« sagte die Gräfin nach einer kaum wahrnehmbaren Pause, »ich habe Sie wohl erkannt.«
    »Rosine,« sagte der alte Soldat, »dieses eine Wort schüttet den reinsten Balsam auf meine Wunden.«
    Zwei dicke Tränen rollten heiß in die Hände seiner Frau. Er zog sie an sich, er wollte ihr seine väterliche Zärtlichkeit beweisen.
    »Mein Herr,«

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