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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Eisenteile und geschäftigen Windsbräute für sie aufführten. Und wortlos, wie es nur Liebende tun, sahen sich der Mühlriedl und die Holzmayer’sche an und nickten zustimmend. Dann öffneten sie die Opeltüren wieder und stiegen hinaus. Vorsichtig schlichen sie zum Bürohäuschen des Schrottplatzes. Aus genau dieser Richtung waren die zwei slawisch sprechenden Schleifer und der Bewusstlose mit dem iPod und der Glatze gekommen. Die Tür des Bürohäuschens stand einen Spalt offen, leise und unendlich langsam öffneten sie die Tür. Dort drinnen waren menschliche Stimmen zu hören.

16 .
    »Dit jibs ja janich! Dtkannawonniwaasin!«
     
    Heiß und windstill war es droben auf der herrlich gelegenen Schröttelkopf-Alm. Kein Wölkchen am Himmel, der Duft von frisch gemähtem Gras, das harmonische Klingen von Kuhglocken. Draußen auf der Terrasse wurde eiskaltes Bier serviert, und der Sommerfrischler, der am Klapptisch mit der besten Aussicht saß, hätte leicht in der Operette
Im Weißen Rössl am Wolfgangssee
mitspielen können, in der Rolle des Wilhelm Giesecke, des raunzigen Preußen aus dem Zille-Land, aus Berlin. Gieseckes Frau hatte in die Berije jewollt, und da saß er nun, mit der Frau, auf der Terrasse der Schröttelkopf-Alm. Er hatte über den Kaffee gelästert, er hatte über das Wetter gemeckert, das Bier war ihm zu warm, der Sonnenbrand schmerzte, dann aber hatte er einen Euro in eines der aufgestellten Münzfernrohre gesteckt und hatte das Postkartenpanorama betrachtet. Wenigstens das war einmalig. Einen Raubvogel hatte er auffliegen sehen, ein paar bunte Paraglider hatte er sich angeguckt, dann hatte es plötzlich einen lauten RRRUMS in der sonnigen Almlandschaft gegeben.
     
    Giesecke ließ das Fernrohr erschrocken los. Er blickte sich ängstlich in Richtung Terrasse um, doch dort sah er nichts als fünfzig andere aufgeschreckte Ausflügler, vermutlich lauter Berliner wie er, die die Berije sehen wollten. Und noch einmal gab es einen RRRUMS , diesmal ganz eindeutig aus der Richtung der Wiese dort unten. Giesecke schwenkte das Teleskop talabwärts. Dort standen sich zwei Männer in Duellabstand gegenüber, zwei zornige Männer in gespannter, kampfbereiter Haltung. Der eine trug eine gepflegte, gebügelte Kniebundhose, einen grünen Lodenumhang und einen Trachtenhut mit aufgepflanztem Gamsbart. Die Flinte, die er in der Hand hielt, blinkte in der Mittagssonne. Der andere Mann war wesentlich jünger. Er trug eine zerbeulte, speckige Lederhose, die den Blick auf seine Wadeln freigab, die braungebrannt und sprungbereit unter den Wadelschonern lauerten. Seine Augen blitzten verwegen, sein Gesicht war geschwärzt, und er hielt ebenfalls ein Gewehr in der Hand – in seinem Fall war es eher ein verbeultes Rohr, ein verbogener, vorsintflutlicher Schießprügel. Er hatte einen Rucksack aufgeschultert, aus dem eine halbe Gams, ein Reh, ein Hase (irgendetwas aus dem Wald eben) ragte. Und sofort glaubte Giesecke die Situation erfasst zu haben: Der arme Waldbauernbub hatte für seine dreißigköpfige Familie etwas Wildbret geschossen, und der Herr Oberforstrat stellte ihn jetzt deswegen zur Rede. So etwas Ähnliches war da unten los, alpenländisches Milljöh eben. Und jetzt waren auch die heiser geschrienen Stimmen der beiden Kontrahenten zu vernehmen.
    »Bleiben Sie stehen«, rasselte der Oberforstrat gerade. »Legen Sie Ihre Waffe auf den Boden!«
    Der andere, der Schwarzgesichtige, gab etwas zurück, was Giesecke nicht verstand, ein
kreizkruzifixhimmiherrgottseiten
hörte er heraus und andere Lautketten, das konnten nur die tief empfundenen Flüche der Alpenbewohner sein. Der Mann mit den strammen Wadeln wollte sein Gewehr partout nicht auf den Boden legen.
    »Schleich di, Jaager! Sonst g’hörst da Katz!«, rief der waldbauernbübische Berserker. Doch der Herr Oberforstrat wollte sich durchaus nicht schleichen. Er beliebte das Gewehr hochzureißen und damit noch einmal in die Luft zu schießen. Der Wildschütz sah ihm fest in die Augen, dann drehte er sich um und ging davon, er ließ den verdutzten Jäger mitsamt seiner Gamsbartpracht einfach stehen. Der Herr Oberforstrat war wütend. Er legte kurzerhand an und schoss. RRRUMS . War der wahnsinnig? In den Rücken? Durfte man das? Das war doch das Allerletzte! Doch der hinterhältige Schuss hatte sein Ziel wohl verfehlt. Der tollkühne Mann mit dem Wildbret im Rucksack drehte sich um und legte das Gewehr an, um den Forstrat auf Distanz zu halten. Der schoss

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