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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Anderem verbracht, als ein Verbrechen nach dem anderen zu planen!«
    Und in der Tat: Seit der Strategiewanderung der Jennerwein-Truppe durch die Farbenpalette des Murnauer Mooses war nur ein Tag vergangen, und schon war das spektakuläre Fake-Verbrechen geschehen. Der Herr Oberförster wurde abtransportiert, der Wildschütz war geflohen, das Team von Jennerwein konnte, ganz offiziell, gerufen werden, und für alle sichtbar ermitteln. General Dattelberger war mit seinen Truppen ins Tal des Schreckens vorgerückt und hatte die Geschütze sorgfältig in Stellung gebracht. Dass die Geschütze in eine ganz andere Richtung zielten, ahnte niemand.
    »Ich hatte allerdings eine Heidenangst dort unten im Heuschober«, sagte Hansjochen Becker. »Aber nur davor, dass jemand runterkommt und mich vorher entdeckt. Vor Hölleisen und Ostler.«
    »Der Titel
Oberforstrat
wird Ihnen bleiben, Becker«, sagte Stengele. »Mehrere der Zeugen haben Sie schon als solchen bezeichnet. Da sieht man, was eine schicke Uniform und ein schneidiges Auftreten ausmachen.«
    Das war der Plan gewesen. Auf einer gut besuchten Bergalm sollte sich ein Wilddieb einen Schusswechsel mit einem Jäger liefern, der Jäger sollte dabei getötet werden. Dann sollte der Verdacht gestreut werden, dass es sich bei dem Wilddieb in Wirklichkeit um einen braven Bürger des Kurortes handelte.
    »Das ist glaubhaft«, hatte Ostler damals bei der Entwicklung des Plans gesagt. »Da haben Sie die Seele der Einheimischen hier im Ort genau erfasst. Solch ein Wilderer hätte sofort die Sympathie der Bevölkerung! Und wir können die dummen Polizeibeamten spielen, die endlose Fragen nach Verstecken und Unterschlupfmöglichkeiten stellen.«
    »Ja, Wildern ist immer noch ein großes Thema im alpenländlerischen Oberbayern«, sagte Hölleisen. »Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe in der Verwandtschaft einige Jäger. Was heißt Jäger, die Grenzen zum Wildern sind fließend. Wir haben uns als Kinder schon immer gewundert, warum der Onkel Toni, der längst pensioniert war, immer frische Rehe und Hasen, Wildsauen und Hirsche bei uns daheim vorbeigebracht hat. Vom
händischen Jagen
war da die Rede, die Erwachsenen haben sich zugezwinkert, und ich habe erst viel später verstanden –«
     
    Das Telefon klingelte, Ostler ging hin.
    »Schon wieder ist er gesehen worden, der Schlawutzi!«, rief er vergnügt. »Diesmal auf der Zugspitze. Den Jubiläumsgrat soll er entlangspaziert sein.«
    »Auf der Zugspitze? Steht das in unserem Drehplan?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber an allen Ecken ist er gesehen worden, das ist doch gut für uns. Die alte Hausingerin, die größte Ratschkathl im Ort, hat vorher angerufen. Sie würde sich nicht wundern, wenn er sich im Keller vom Hartlhaus versteckt hätte. Beim alten Hartl Peter, da könnte man sich durchaus einiges vorstellen. Vor allem das Wildern.«
    Ostler hatte beim Gespräch mit der Hausingerin in einem Nebensatz fallenlassen, dass es ein Jäger gewesen ist, der da erschossen worden war, ein pensionierter Jäger mit einer staatlichen Lizenz des Forstamtes Lüneburg. Lüneburg! Das war wieder mal typisch! Eine preußische Beamtennase, die von nichts, aber auch von gar nichts eine Ahnung hatte, die einen Haufen Gemseneier nicht von einem Kuhfladen unterscheiden konnte – so einer hatte einen unbescholtenen oberbayrischen Wilderer angegriffen, einen edlen Freischütz, der waidgerecht jagte und einen Hirsch auf zwei Kilometer so ins Herz traf, dass er schon tot war, wenn er auf dem Boden aufschlägt! Ein Wildererdrama zu inszenieren, das war die Idee Jennerweins gewesen.
    »Genial, Chef«, hatte sogar Stengele zugeben müssen.
    Und in der Tat. Der Mythos des Wilderns war fest in der Seele der Bayern verankert. Gab es denn etwa eine Oper über einen Jäger, so etwas wie
Oberforstrat Schulze
? Na eben. Aber den
Freischütz
gab es, und tausend andere Geschichten über wilde Gesellen, die mit dem Teufel im Bunde sind, durch die südlichen Wälder und Hochwälder streifen, um dort der ursprünglichsten Betätigung des Menschengeschlechts nachzugehen, dem Jagen.
     
    Die Idee, wer den Schnauzbärtigen mit der Gams auf der Schulter spielen sollte, war von Nicole Schwattke gekommen.
    »Das könnte doch mein Mann machen. Der freut sich, wenn er einen Einsatz in Bayern hat.«
    Der Mann von Kommissarin Schwattke war ebenfalls Polizist, aber er stammte durchaus nicht aus Recklinghausen, er war Bayer. Bedingt durch das föderale Polizeiwesen brauchte man,

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