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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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wenn man als Polizist das Bundesland wechseln wollte, einen Tauschpartner. Nicole und ihr Mann hatten sich beim Tauschen kennengelernt, jetzt saßen sie in ihren jeweiligen anderen Heimaten fest und sahen sich kaum. Der westfälische Bayer hatte dem Plan erfreut zugestimmt.
    »Er hat schon viel Flachländisches angenommen, hoffentlich fällt das nicht auf. Zum Beispiel sagt er dauernd
Den Düwel ook!
Ich habe es noch nicht übers Herz gebracht, ihm zu sagen, dass man in Recklinghausen so ganz sicher nicht spricht. Das ist ja total norddeutsch.«
    »Wir brauchen ihn ja bloß noch einmal zum Schluss, in sechs Wochen, wenn wir ihn verhaften.«
    »Oder erschießen«, fügte Stengele sarkastisch hinzu.
     
    »Aber jetzt an die Arbeit«, sagte Jennerwein bestimmt. »Ich möchte Sie noch einmal drauf hinweisen, dass die Zeit drängt. Becker, sie betreuen weiterhin die wasserdichte Abwicklung des Fake-Verbrechens. Wir müssen das Wildererdrama ja auch glaubhaft abschließen. Überlegen Sie sich genau, wen Sie ins Vertrauen ziehen, führen Sie eine Liste darüber.«
    »Die Gerichtsmedizinerin muss ich wohl einweihen. Sie wird eine Legende von der Leiche erstellen. Das ist mal was anderes als an Brustkörben und Bauchdecken rumzuschnipseln, das macht sie sicher gerne.«
    »Seien sie trotzdem vorsichtig«, sagte Jennerwein. »Wir haben vermutlich einen Maulwurf in den eigenen Reihen.«
    Er sah in die Runde. Alle blickten ihn erschrocken an.
    »Was –?«
    »Nicht in unserem Team natürlich«, beruhigte Jennerwein. »Im Team der verdeckten Ermittler. Ostler und Hölleisen, Sie hören sich bei den Einheimischen um. Stengele sucht nach Schlupfwinkeln im Talkessel, Maria arbeitet mit dem Polizeihund, der auf Dombrowski und Weißenborn angesetzt worden ist.«
    »Mal sehen, wie ich mich als Hundeliebhaberin mache.«
    »Nicole, Sie halten hier auf dem Revier die Stellung und nehmen die reichhaltigen Hinweise aus der Bevölkerung auf. Ich werde mich heute, ganz geheim und an einem verschwiegenen Ort, draußen auf dem freien Feld mit dem leitenden Ermittler der Antimafiatruppe treffen.«
    Alle erhoben sich.
    »Aber wie ist das jetzt mit Ihrer Wilderer-Verwandtschaft, Hölleisen?«, fragte Maria. »Was ist das mit dem
händischen Jagen
? Das würde mich schon noch interessieren.«
    Polizeiobermeister Franz Hölleisen lächelte.
    »Das ist schnell erklärt, Frau Doktor. In den Siebzigerjahren des 19 . Jahrhunderts war das Werdenfelser Land dünn besiedelt, der Wildbestand war mäßig, und Bleikugeln waren rar. Ein Teufel, der die unfehlbaren Freikugeln gegossen hätte, war weit und breit nicht zu sehen. Das ist mehr eine böhmische Spezialität. Meine Vorfahren, die vielen Mitglieder der weitverzweigten Familie Hölleisen, die sich über Generationen mit Wildern über Wasser gehalten hatten, mussten sich nun etwas anderes einfallen lassen. Ein kühner Vorfahr von mir, der Hölleisen Sylvester, hatte nun eine Idee. Er leerte unter eine gut zwanzig Meter hohe Tanne einen Sack Wildkastanien aus, dann stieg er hinauf auf den Baum. Als die hungrigen Hirsche kamen, ließ er sich todesmutig auf die äsende Herde herabfallen. Gleich beim ersten Versuch landete er auf dem Leithirschen, und bevor der reagieren konnte, erwürgte er ihn mit seinen Riesenpratzen, die der Familie Hölleisen seit Generationen zu nichts nütze gewesen waren.«
    Hölleisen hielt zum Beweis seine Hände hoch. Obwohl sie sich schon drei Jahre kannten, fielen seine Riesenpranken dem Team erst jetzt auf.
    »Die anderen Tiere sind geflohen, und er saß mit einem erlegten Hirsch da. Nur mit Mühe hat er ihn heimschleifen können, so kapital war das Trumm Viech. Die Familie Hölleisen aber konnte sich gut über Wasser halten durch diese Methode des geräuschlosen
händischen Jagens
, die zudem den Vorteil hatte, dass das Wild schnell erlegt war und keine verdächtige Ausrüstung erforderte. Im harten Winter 1872 / 73 hing die ganze Familie Hölleisen in den Bäumen und stürzte sich auf eine ganze Herde von Wildsauen, die dann den Winter über reichte. Ausfälle gab es allerdings auch. Der Großvater Hölleisen kam auf die Idee, den Hirsch, wenn man schon auf ihm saß, auch heimreiten zu lassen. Der Hirsch, den er erwischte, jagte jedoch mit dem Großvater in Richtung Höllental-Schlucht und stürzte mitsamt ihm hinunter in die Klamm. Unten hat man nicht mehr gewusst, wer Hirsch und wer Opa war.«

17 .
    Eine Zwischenfrage: Waren Sie denn schon mal im Kurort? Haben Sie dort

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