Oberwasser
haben?«
»Ausgeschlossen. Sie spürt jede Materialveränderung auf. Es gibt nur eine Möglichkeit: Unter der Kirche fließt ein anderes Gewässer, der Mühlbach ist es nicht! Der Pfarrer hat uns angelogen.«
»Ist das endlich unser Versteck?«, sagte Jennerwein aufgeregt. »Den Pfarrer werde ich mir gleich nochmal vorknöpfen.«
»Jetzt, sehen Sie! Sie schwimmt in Richtung Hartl-Hof.«
Die trübe Brühe behinderte nicht nur Giselas Sicht, sondern auch die der Ermittler im Videoraum. Doch jetzt wurde es etwas heller. Das Wasser klarte auf.
»Du, Peter!«
Die Hartl Bäuerin kam atemlos die Treppe heraufgestürmt.
»Was ist denn?«
»Drunten im Keller, in der Röhre, da ist grade eine Frau mit Badeanzug und Badekappe vorbeigeschwommen!«
»Ich glaube, du hast zu viel von dem Selbstgebrannten erwischt.«
Die nächste halbe Stunde saß Becker allein vor dem Sichtschirm. Die Suppe, die unter dem Kurort hindurchfloss, war so undurchsichtig geworden, dass die anderen den Spaß am Abendfilm verloren hatten. Es verging eine weitere halbe Stunde, dann waren draußen im Gang Stimmen zu vernehmen. Jennerwein und Hölleisen kamen zurück.
»So eine Schweinerei«, rief Hölleisen entrüstet, als sie den Medienraum betraten. »Wie kann ein Pfarrer nur so lügen!«
»Ich habe ja gleich so etwas geahnt«, sagte Ostler schulterzuckend. »Es ist reichlich unwahrscheinlich, dass der Pfarrer etwas mit Dombrowski und Weißenborn zu tun hat. Er ist einer, der hier im Ort aufgewachsen ist, der lange in der Fremde war, schließlich in die Heimat zurückgekommen ist –« Ostler zögerte. »So wie Sie, Chef«, fügte er noch hinzu.
»Ja, so wie ich«, murmelte Jennerwein knapp. Er war hier geboren, er kannte den Ort und seine Bewohner. Und er kannte sie doch nicht so ganz. Jennerwein hatte sich immer noch nicht dazu durchringen können, hier im Kurort eine Wohnung zu beziehen. Er wohnte in einer Pension, in der Pension Edelweiß, wie immer, wenn er hier einen Fall zu bearbeiten hatte. Und er fühlte sich ganz wohl dabei.
»Was hat der Pfarrer denn jetzt von dem Wasser unter der Kirche erzählt?«, fragte Becker.
»Er sagt, dass es ein Brunnen ist, eine Wasserquelle, die schon seit ewigen Zeit unter der Kirche sprudelt«, sagte Hölleisen.
»Die Kirche hat eine eigene Quelle?«
»Das war früher so üblich. Die Quelle entspringt zehn Meter unter dem Altar – die Kirche hat vielleicht deshalb ihre Position – und versickert dann wieder.«
»Und warum hat der Pfarrer das verschwiegen? Wenn es doch bloß eine Quelle ist.«
»Es ist eine besondere Quelle, sagt er.«
»Eine Heilquelle?«
»Ja, so etwas in der Richtung. Schwefel, Salze, was weiß ich.«
Ostler pfiff durch die Zähne.
»Eine Heilquelle! Dann ist an den Spekulationen doch was dran.«
»Was für Spekulationen?«, fragte Becker.
»Dass der Kurort drauf und dran wäre, den Namenszusatz
Bad
tragen zu können.«
»Und was soll das bringen?«
»Sehr viel: Touristen, Subventionen, Olympiaden.«
»Es ist doch zum Auswachsen!«, sagte Jennerwein ärgerlich. »Wieder etwas, das uns in die Irre führt!«
Becker sah vom Sichtschirm auf.
»Beim Hartl-Hof und bei der Kirche haben wir vielleicht falsch gelegen. Aber eines ist sicher: Wasser spült Spuren weg. Da hilft auch keine feine Hundenase mehr. Wir sollten deshalb die Suche nach wässrigen Milieus nicht aufgeben.«
»Gut«, sagte Jennerwein. »Wir sehen uns alle Versteckmöglichkeiten an, die mit Wasser zu tun haben. Den Mühlbach, die Loisach, die Partnach, die Seen in der Umgebung. Natürlich auch die Freibäder. Die Kanalisation.«
Man sah Jennerwein an, dass er höchst unzufrieden war.
Alle starrten auf den trüben Schirm. Ostler sprang plötzlich auf.
»Jetzt weiß ich, wo ich diese Maschinerie schon einmal gesehen habe! Diesen Mechanismus, den der Hartl unten im Keller stehen hatte. Der mit den Flaschen und Gläsern!«
»Ja, und wo, Johann?«, fragte Hölleisen.
»Wir haben Urlaub in Kambodscha gemacht. Pauschal. Die ganze Familie. In der Nähe von Battambang haben wir mit den Kindern eine längst verlassene Opiumküche besichtigt. Eine Vorrichtung für das Anritzen und Kochen von Mohn, für das Weiterverarbeiten und Veredeln. Der Apparat hat genauso ausgeschaut.«
Alle schüttelten verwundert den Kopf.
»Eine Opiumküche?«
»Beim Hartl-Bauern?«
»Naja«, sagte Hölleisen, »ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Da hat es schon einmal was gegeben, droben am Eibsee, in den
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