Objekt Lambda
Geschwindigkeit war bedeutend geringer als die des herrlichen Tieres.
Hastig tauchte er in die Tiefe. Er flatterte verzweifelt mit den Flügeln, während er über die Schulter zurückblickte. So nahe war das Tier schon, daß er die dreieckigen bronze- und silberfarbigen Schuppen bereits unterscheiden konnte. Die mächtigen Beine, die vorher am Leib angelegen hatten, streckten sich mit ihren gefährlichen schwarzen Klauen nach ihm aus.
Orgreiter faltete die Flügel und schoß zu einem dunklen Spalt zwischen zwei Felsen hinunter. Selbst in diesem Augenblick größter Gefahr schnürte die Schönheit des Orgs ihm die Kehle zu. Diese Macht für sich benutzen können! Es war den Einsatz seines Lebens wert!
Aber es sah ganz so aus, als wäre sein Leben schon verloren. Sein Fall war langsamer als der Sturzflug des Orgs. Seine Waffen nutzten ihm nichts. Der Bogen hing im Geschirr, den Speer konnte er in seiner Lage nicht schleudern, und der Dolch würde absolut nichts gegen das mächtige Tier ausrichten.
Ohne es sich zu überlegen, riß er die kalte harte Kugel, das Beobachterauge, vom Hals und warf sie in den gierig klaffenden Rachen des Orgs.
Verwirrt schluckte das Tier, verlor an Geschwindigkeit und flatterte schließlich kreischend über ihm vorbei. Doch es erholte sich schnell und kehrte bereits in einem engen Bogen zurück.
Inzwischen hatte der Junge sich aber bereits tief in den Spalte zwischen den beiden Felsen verkrochen.
Viele hunderte von Atemzügen lang verharrte der Org vor der Öffnung, die für ihn viel zu eng war, und scharrte mit den harten Krallen am Stein. Es war ein intelligentes Tier und wußte, daß es ihn nicht erreichen konnte. Trotzdem blieb es. Das konnte eigentlich nur bedeuten, daß es sein Nest ganz in der Nähe hatte.
Der Gedanke war berauschend für Orgreiter, wenn auch ein wenig beängstigend. Denn wo es ein Nest gab, waren sicher auch Eier!
Er schlüpfte aus seinem Geschirr, denn er konnte es nicht wagen, sich so nahe an einem Nest in die Lüfte zu heben. Er würde sich schnell bewegen müssen und durfte nicht mehr mitnehmen, als er unbedingt benötigte. Der einzige Weg, das Nest zu erreichen, war durch enge Spalten in und zwischen den Felsen hindurch, wo das Tier ihn nicht angreifen, ja möglicherweise nicht einmal sehen konnte. Er fragte sich flüchtig, was aus dem Beobachterauge geworden war. Hatte das Tier es tatsächlich verschluckt? War es zerbrochen und würde nun die Beobachter herbeirufen? Er hatte keine Ahnung.
Außer dem Messer, dem Richtungsfinder und dem Seil ließ er alles zurück. Er atmete tief ein, spannte die Muskeln, kauerte sich zusammen und sprang. Er war nur flüchtig im Freien, ehe er den nächsten Spalt erreichte. Der Org war nicht zu sehen. Sein wütendes Kreischen hörte er jedoch.
Der Aufstieg, den gewaltigen Haufen des herabgerollten Felsbrocken hoch, war lang und anstrengend. Seitlich darüber begann eine kahle Steilwand von gut zwölfmal seiner, Orgreiters, Größe.
Der Junge konnte, wie alle seines Volkes, natürlich so hoch springen. Aber es würde ihm die letzten Kraftreserven rauben. Er würde oben völlig erschöpft und hilflos ankommen, und außerdem konnte er während eines Sprungs ohne weiteres gesehen werden.
Er wagte es nicht, sich darüber Gedanken zu machen. Als er keinen Org sah, sprang er. Mit den Fingerspitzen hielt er sich am Rand des Felskamms fest und zog sich vorsichtig hoch. Vor ihm lag ein Plateau von etwa einer Meile Länge. Und direkt in der Mitte erhob sich ein rosiger Kegel.
Das Orgnest!
Obwohl gewiß nicht mehr als etwa ein Dutzend Sprünge entfernt, war es für den Jungen doch unerreichbar. Ein gigantischer Org kauerte auf der Kegelöffnung. Seine bronzenen und silbernen Schuppen glitzerten im blauen Licht des Berggipfels. Er hatte ihn jedoch nicht bemerkt. Näherte er sich ihm jedoch, würde er sich in Augenblicksschnelle auf ihn werfen. Er würde nie zulassen, daß er an das Nest herankam.
Orgreiter mußte nachdenken. Doch so lange durfte er sich nicht ungeschützt im Freien aufhalten. Er entdeckte eine enge Spalte und huschte, mit dem Bauch fast auf dem Boden, darauf zu.
Als er sich in Sicherheit befand, ließ er sich jegliche Möglichkeit durch den Kopf gehen, aber als er alles durchdacht hatte, war er der Lösung des Problems so fern wie am Anfang. Es war grausam, so weit gekommen zu sein und jetzt aufgeben zu müssen. Aber was blieb ihm anderes übrig? Er konnte natürlich im Spalt kauern bleiben, bis er
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